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Ein Plädoyer für Mutter Erde

„Land ist wie der menschliche Körper“, sagt Ibrahim Thiaw. Als Exekutivsekretär des in Bonn ansässigen UN-Wüstensekretariats UNCCD (United Nations Convention to Combat Desertification) ist er Experte für die Verödung, aber auch für die Wiederherstellung von Böden weltweit. So wie der menschliche Körper sei Land in seiner ursprünglichen Form gesund – bis es von einem Virus angegriffen werde, erklärt Thiaw den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung „Save Land. United for Land“ in einer Videobotschaft. Im Falle der Böden sei der Mensch das krankmachende Virus.

Bis zu 40 Prozent der Böden weltweit gelten bereits als verödet, hauptsächlich durch menschliche Übernutzung, hat das UNCCD ermittelt. Seit drei Jahrzehnten arbeitet das UN-Wüstensekretariat daran, diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren. Doch die Aufmerksamkeit für dieses Thema reiche nicht aus, sagt Wagaki Wischnewski, UNCCD-Mitarbeiterin und Ko-Kuratorin der Ausstellung. „Wir müssen schneller werden.“ Damit das gelingt, hat das UN-Wüstensekretariat sich zu seinem 30-jährigen Bestehen mit der Bundeskunsthalle zusammengetan.

Die Ausstellung, die bis zum 1. Juni zu sehen ist, will einen Meilenstein in den weltweiten Bemühungen gegen die Degradation von Land markieren, so heißt es in der Bundeskunsthalle. Denn jedes Jahr gingen auf der Erde 100 Millionen Hektar produktives Land verloren – eine Fläche dreimal so groß wie Deutschland. Die Schau, die Exponate aus Kunst, Kulturgeschichte und Naturwissenschaft vereint, sei aber nicht nur eine Katastrophengeschichte, betont Henriette Pleiger, Kuratorin der Bundeskunsthalle. „Sie versucht, eine Art Beziehungsarbeit zu leisten.“

Dabei geht es auch darum, die Dimensionen der landschaftlichen Vielfalt zu veranschaulichen. In einem Panoramakino können Besucherinnen und Besucher in die Schönheit der fünf grob gefassten Landschaftstypen auf der Erde eintauchen: Wälder, Grasland, Wüsten, Feuchtgebiete und Polarregionen. Ein großer interaktiver Globus zeigt an, wo sich diese Landschaften und städtischen Gebiete auf der Erde befinden.

Gesunder Erdboden recycelt Nährstoffe, bindet große Mengen Kohlenstoff, reinigt und speichert Wasser. Doch Versiegelung, Überkonsum und Abfälle sorgen vor allem in den Städten dafür, dass das nicht mehr funktioniert. Was das bedeutet, soll etwa „RoLand – Der grummelnde Erdboden“ veranschaulichen. Die Arbeit von Galo Patricio Moncayo Asan nach einer Idee von Wuppertaler Design-Studierenden ist ein mit Müll durchsetzter sprechende Erdhaufen mit Videobildschirm. „Ihr habt mich in einen Mülleimer verwandelt“, beklagt er sich, appelliert aber auch: „Ich kann mich erholen, wenn Ihr mir eine Chance gebt.“

Land ist nicht nur durch Verödung, sondern auch durch Übernutzung bedroht. Ein historischer Pflug von 1875 zeigt, wie Landwirtschaft einst mehr oder weniger Handarbeit war. Heute, so heißt es, führt exzessive Düngung zu einer Verschlechterung der Böden. Die 120 Millionen Tonnen Stickstoffdünger, die jährlich weltweit ausgebracht werden, griffen so in organische Bodenprozesse ein, dass Humusverlust und Bodenerosion beschleunigt würden. Ein UNCCD-Bericht zeigt auf, dass Lebensmittel auch ohne exzessive Umweltkosten angebaut werden könnten, etwa durch die Abkehr von der intensiven Massentierhaltung.

Eine Möglichkeit, Böden und Umwelt zu schützen, sei auch die Neubewertung natürlicher Lebensräume, heißt es in der Ausstellung. Ein Hauptproblem sei, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Umweltgüter wie sauberes Wasser oder biologische Vielfalt nicht berücksichtige. Eine Änderung könne hier den Übergang zu einer grünen Wirtschaft ermöglichen. Der derzeitige Umgang mit der Natur in westlichen Ländern ist Thema einer Arbeit des Berliner Künstlers Julius von Bismarck. Er installierte riesige exotische, gepresste Pflanzenblätter auf Metallplatten und hängte sie auf.

Für Hoffnung sorgen in der Ausstellung immer wieder eingestreute Dokumentarfilme, die von der UN ausgezeichnete Projekte zur Wiederherstellung von Ökosystemen präsentieren. Initiativen im Atlantischen Regenwald oder in den Waldbrandgebieten des Mittelmeerraums pflanzen zum Beispiel Bäume, um den Folgen von Abholzung und Klimawandel entgegenzuwirken.

Entlassen werden die Besucherinnen und Besucher in einem „Take Action-Raum“. Dort werden praktische Handlungsmöglichkeiten vorgestellt, mit denen Bürgerinnen und Bürger sich für die Renaturierung von Böden einsetzen können. Die Ratschläge dürften keine Überraschung sein. Dort wird etwa an das Publikum appelliert, sich pflanzenbasiert zu ernähren, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder natürliche Produkte zu bevorzugen.