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“Ein märkischer Monet” im Potsdam-Museum

Dünne Birkenstämme säumen die verschneiten Ufer eines Baches, an den Zweigen hängt noch braunes Herbstlaub. Der deutsche Impressionist Karl Hagemeister (1848-1933) begann 1891 an dem großformatigen Gemälde zu arbeiten. Ein Foto zeigt den Künstler mit Farbpalette im verschneiten Wald, die Leinwand hat er gegen einen Baum gelehnt. Das Potsdam-Museum – Forum für Kunst und Geschichte konnte das Gemälde 2022 erwerben.

Das Haus besitzt nach dem Bröhan-Museum in Berlin die zweitgrößte Sammlung des brandenburgischen Landschaftsmalers und
Mitbegründers der Berliner Secession. Der Neuerwerb gab den Anlass für die Sonderausstellung „Karl Hagemeister. Die Natur ist groß. Jahreszeitliche Impressionen“, die ab Samstag zu sehen ist.

Kuratorin Hendrijke Warmt, betont: „Es ist ein Schlüsselwerk, eine Zäsur für Hagemeisters Schaffen. 1891 beginnt er ganz in impressionistischer Manier zu malen, dieses Bild ist Zeugnis davon.“ Sie hatte das Gemälde während ihrer Arbeit an dem Werkverzeichnis Hagemeisters bei einem Berliner Kunsthändler entdeckt. Auf einer Auktion gelang der Ankauf für 138.000 Euro dank der Mittel des brandenburgischen Kulturministeriums, der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Die Sonderausstellung ist eine Reise in die Stimmungslandschaften Hagemeisters mit Bildern aus allen Schaffensjahrzehnten. Zu sehen sind 16 Gemälde, fünf Pastelle sowie elf Zeichnungen. Zu den Höhepunkten gehören drei frisch restaurierte Bilder, darunter „Ferch im Sommer“ von 1898. An der Bildoberfläche lässt sich nachvollziehen, was den deutschen Impressionisten ausmacht, wie die Kuratorin betont: die Helligkeit in den Farben und der skizzenhafte Farbauftrag ohne Konturen.

Der Titel der Schau bezieht sich auf ein Zitat Hagemeisters. Er symbolisiert sein Anliegen, naturphilosophisch zu denken und Sinnbilder für den Lebenszyklus vom Werden und Vergehen zu schaffen. Das Zitat bezieht sich auch auf das Format seiner Bilder. „Hagemeister war der Überzeugung, die Natur in ihrer Größe lässt sich nur groß spiegeln“, sagt die Kuratorin. Die Formate reichen von 70 mal 120 Zentimeter bis zu Bildern von mehr als zwei Metern Höhe.

Karl Hagemeister, geboren in Werder an der Havel als Sohn eines Obstbaumzüchters, blieb zeitlebens dem Havelland verbunden. Die Bilder der Ausstellung spiegeln seine genauen Naturbeobachtungen, vom Winter mit hellen Schneelandschaften und dem eher grauen Himmel, über das Erwachen der Farbe im Frühling, das flirrende Licht des Sommers bis hin zum Farbspiel des Herbstlaubs. Die Naturverbundenheit des Malers zeigt sich auch darin, dass er die Staffelei für seine Freiluftmalerei häufig aus Ästen selbst zimmerte und im Wald hinter Büschen versteckte, um sie beim nächsten Mal wieder zu benutzen. Wenn ihm der Pinselstrich zu dünn erschien, verwendete er gern auch Tierpfoten.

Farblich unterschiedlich gestaltete Wände, vor denen die Bilder präsentiert werden, erhöhen den sinnlichen Eindruck der Ausstellung. Statt Raumtexten sind den jeweiligen Bereichen Zitate von Malerkollegen, Kunstkritikern und Weggefährten zugeordnet, welche die Persönlichkeit und Malweise des „märkischen Monets“, wie ihn etwa der Kritiker Karl Scheffler nannte, charakterisieren.

Ergänzt werden die Bilder durch ein Tastmodell sowie eine eigens entworfene Klanginstallation des Künstlerkollektivs Xenorama, das sich dem Werk des Impressionisten aus zeitgenössischer Perspektive nähert.

Die Ausstellung zeigt, wie Hagemeister immer wieder um einen neuen malerischen Ausdruck seiner Naturempfindung ringt. Nur scheinbar vergrub sich der Künstler in seiner märkischen Heimat, reiste höchstens nach Rügen, wo er die Küste und die aufgepeitschten Wellen der Ostsee ins Bild setzte. In seinen Arbeiten gelingt es ihm, den gesamten Kosmos der Natur einzufangen.