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Ein Bild, das trägt

Über den Predigttext zum Sonntag Misericordias Domini: Johannes 10, 11-16; 27-30

Predigttext
11 Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte gibt sein Leben für die Schafe. 12 Bezahlte Angestellte, die nicht Hirtinnen oder Hirten sind, und denen die Schafe nicht gehören, die sehen den Wolf kommen und verlassen die Schafe und fliehen – und der Wolf raubt die Schafe und treibt sie auseinander. 13 Dies geschieht, weil sie bezahlte Angestellte sind und ihnen nichts an den Schafen liegt. 14 Ich bin der gute Hirte und ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, 15 so wie mich Gott wie eine Mutter kennt und ich Gott kenne. Und ich gebe mein Leben für die Schafe. 16 Aber ich habe noch andere Schafe, die nicht von diesem Hof stammen; auch diese muss ich führen und sie werden meine Stimme hören, und sie alle werden eine Herde mit einem Hirten sein. (…) 27 Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir, 28 und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden bis in Ewigkeit nicht verloren gehen und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. 29 Gott hat sie mir gegeben und ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand Gottes rauben. 30 Ich und Gott sind eins.

Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache

Gibt es in Ihrem Leben jemandem, dem Sie bedingungslos vertrauen? Kindern fällt das leichter als Erwachsenen. Sie kennen ein Urvertrauen: Die Tochter hängt am Arm ihres Vaters und lässt sich weit über einen Abgrund hängen. Sie weiß, dass sie gehalten wird. Der Sohn springt los und verlässt sich darauf, dass die Mutter ihn fängt.
Beide machen sich keine Gedanken darum, was alles schiefgehen könnte. Diese Gedanken kommen später ganz von allein. Wenn die Tochter und der Sohn lernen, dass es auch anders sein kann, wird der Abgrund bedrohlich und der Arm verliert seine Sicherheit.
Manche Menschen können vertrauen. Manche finden eine Partnerin, bei der sie sicher sind: Hier kann ich vertrauen. Manche finden einen Partner, der ihnen zeigt: Ich bin für dich da – bedingungslos!

Menschliche Erfahrung: solche und solche

Leider gibt es viel zu häufig die anderen Erfahrungen. Es gibt die vermeintlichen Freundinnen, die alles kleinlich aufrechnen. Es gibt die Freunde, die sich als hinterhältig und gemein herausstellen. Es gibt unehrliche Menschen. Es gibt Beziehungen, in denen immer eine unterliegt. Es gibt Partnerschaften, in denen immer derselbe meckert und schimpft.
Johannes spricht von einem ungetrübten Vertrauensverhältnis. Er malt viele verschiedene Bilder für Jesus. Diese Bilder haben eine starke Kraft. Der Hirte, dem die Schafe blind vertrauen, ist eines davon. Dieser Hirte ist sogar ganz besonders: „Ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden bis in Ewigkeit nicht verloren gehen und niemand wird sie aus meiner Hand rauben“ (Vers 28).

Zu diesem Hirten, zu Jesus, können auch andere Schafe aus anderen Herden kommen. Auch die erfahren, dass sie bis in Ewigkeit bewahrt sind. Dieser eine Hirte ist Gott selbst. Gott macht keine Unterschiede zwischen den Schafen der einen oder der anderen Herde. Wer sich dem Hirten anvertraut, lebt in Ewigkeit.
Und nun wird es auch Zeit, das Bild zu verlassen. Welches Schaf sucht sich schon den eigenen Hirten? Wenn Johannes von den Schafen und Jesus als dem guten Hirten spricht, betont er die Verantwortung, die Jesus für die Gläubigen übernommen hat. Wir können uns auf Jesus verlassen. Wir können uns auf Gott verlassen.
Vielleicht hilft uns das Urvertrauen der Kinder noch einmal: Bei Gott können wir sicher sein, dass er uns auch am Abgrund hält. Bei Gott können wir darauf vertrauen, dass sie uns auffängt, wenn wir ins Bodenlose zu fallen drohen.

Wer auch als erwachsener Mensch solche Erfahrungen bei anderen Menschen gemacht hat, ist reich gesegnet. Wenn es jemanden gibt, bei dem oder der ich ganz ich selbst sein kann: Da kann ich von meinen Ängsten und Nöten genauso erzählen wie von Glück und Seligkeit.
Und wer das bei Menschen nicht erlebt, kann es bei Gott erleben. Ich bin der gute Hirte und ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, so wie mich Gott wie eine Mutter kennt und ich Gott kenne.

Bei Gott kann ich wieder Kind sein. Bei Gott kann ich mich darauf verlassen, dass ich nicht tiefer falle als in Gottes Hand. Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen.
Es gibt so wunderbar viele schöne Bilder für das, was wir mit Gott erleben können und wie wir Gott erleben können. Das Bild vom guten Hirten ist ein sehr starkes Bild von Verantwortung und Vertrauen, von Sorgen und Sorglosigkeit. Es ist ein Bild, das trägt.