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Ehrliche Worte bei Hochbetagten wichtiger als gut gemeinte Sprüche

Wenn ein alter Mensch sagt, er fühle sich wie der letzte Überlebende, dann berührt das Angehörige. Drei Seelsorgerinnen zeigen, wie man behutsam reagiert und Halt gibt.

Manch ein hochbetagter Mensch fühlt sich wie “der letzte Mohikaner” – gleichaltrige Geschwister und Freunde sind schon tot, und auch die eigenen Kräfte schwinden. Verständlich, dass der Gedanke kommen kann, der liebe Gott habe einen vergessen. Wie reagiert man auf solch eine Äußerung? Drei Seelsorge-Expertinnen sind sich einig: kein billiger Trost, keine Floskeln, kein Themenwechsel. Und sie haben weitere Tipps:

– Beobachtung ansprechen: Wenn sich ein zuvor aktiver hochaltriger Mensch immer mehr zurückzieht, sollte man ihn behutsam ansprechen, sagt Erika Ochs von der Altenheimseelsorge im Bistum Mainz. Ein erster Schritt könne sein, zu benennen, was anderen aufgefallen ist: “Wir haben gemerkt, dass Sie sich in letzter Zeit zurückgezogen haben”.

– Das Gesagte aushalten: Wenn ein Hochbetagter davon spricht, dass nun langsam auch mal Schluss sein dürfe, sollte die zuhörende Person ihn ernst- und wahrnehmen, sagt Brigitte Döpper vom Erzbistum Köln. Jüngere Menschen könnten solche Äußerungen aber oft nicht aushalten, und sie verwendeten Floskeln oder wichen dem Thema aus. Für alte Menschen sind Wertschätzung und das Gehörtwerden wichtig, sagt die Beauftragte für Altenheimseelsorge.

– Perspektivwechsel: Der Tod von Freunden, Krankheit, Gebrechen – vieles kann das Leben in hohem Alter belasten. Dennoch kann es auch positive Gegengewichte geben, sagt Ochs. Man kann versuchen, mit einem hochbetagten Menschen zu erspüren: Was geht noch? Was macht der Person noch Spaß?

– Wertvolle Erinnerungen: Erinnerungen sind wichtige Ressourcen. Sie helfen, das eigene Leben zu würdigen, wertzuschätzen und herauszufinden, was einen in anderen Situationen getragen hat. “Erinnerungen haben meistens mit Menschen und gemeinsamen Erlebnissen zu tun. Oft ist es ein Satz, der von einem Menschen in Erinnerung geblieben ist”, beobachtet Pfarrerin Christine Schöps.

– Entdeckungsreise: Die meisten Bilder und Gegenstände im Umfeld des alten Menschen haben “eine Geschichte – da kann man mit den Leuten auf Entdeckungsreise gehen” und nachspüren, was diese schon alles durchs Leben getragen hat. Dadurch werde der Fokus geweitet, sagt Schöps. Die Menschen spürten, “es gibt ja doch mehr als das negative Empfinden”.

– Genau hinhören: Wenn Schöps mit hochaltrigen Menschen spricht, lässt sie sich erzählen, was diese belastet. Ist es eher ein lebenssattes “Jetzt ist es auch mal gut” oder ein lebensmüdes “Ich kann, ich will nicht mehr”? Bei letzterer Aussage könnte eine Altersdepression vorliegen. Diese könne auch im hohen Alter noch mit einer Psychotherapie behandelt werden.