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Echter Gewinn für alle

Der heilige Martin hat vorgemacht, wie teilen geht. Dabei muss niemand sein letztes Hemd geben, wenn er einem anderen Menschen in einer Notlage helfen will

Jakub Jirsk - Fotolia

Heiligenlegenden sind nicht unbedingt populär. Mindestens eine Heiligenlegende ist aber sehr bekannt – die des heiligen Martin. Schließlich wird sie um den 11. November an vielen Orten beim Laternenumzug nachgespielt oder im Lied besungen.

Im vielleicht bekanntesten Martinslied heißt es in der dritten Strophe: „Sankt Martin zog die Zügel an, sein Ross stand still beim armen Mann, Sankt Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt.“ Und das ist auch schon der Kern der Geschichte.

Nicht lange nachdenken – einfach helfen

Der heilige Martin ist jemand, der gar nicht lange nachdenkt, sondern im Moment der Not einem anderen hilft. Denn da sitzt jemand bei Eis und Schnee am Wegrand und hat nichts, was ihn vor der Kälte schützen könnte. Martin hingegen hat einen Mantel, vielmehr einen Umhang, der groß genug ist für zwei. Deswegen kann er ohne Probleme die Hälfte davon abgeben.
Mit dieser Art zu teilen kann der Heilige ein Vorbild für alle sein. Denn auch nach Deutschland sind in den vergangenen Wochen und Monaten viele Menschen gekommen, die, wie der Bettler in der Legende, wenig bis nichts haben. Auch sie sind auf Hilfe angewiesen, weil das Überleben sonst schwierig wird. Deswegen sind alle aufgefordert, mit anderen zu teilen.
Der Soldat Martin macht dabei vor, wie es gehen kann. Denn er teilt das, wovon er genug hat – seinen Mantel. Viel mehr hatte er, der Legende nach, gar nicht dabei. Dem Bettler das Pferd zu geben oder seine Rüstung, hätte beiden nicht geholfen. Stattdessen kommt es hier zu einer Win-Win-Situation. Der arme Mann am Straßenrand muss nicht mehr frieren, und Martin hat immer noch genug, um auch nicht frieren zu müssen.
So gilt für jeden die Frage: „Was kann ich geben, wovon ich eh mehr als genug habe?“ Manche haben viel Geld, aber wenig Zeit. Da ist es naheliegend, Geld zu spenden. Andere haben vielleicht Wohnraum zur Verfügung und könnten jemanden bei sich aufnehmen. Und wieder jemand anderes hat ein bestimmtes Wissen, das er mitteilen kann. Vielleicht kann er Flüchtlingen dabei helfen, Deutsch zu lernen; und wieder ein anderer kennt sich mit Ämtern und Behörden aus, kann die Orientierungslosen da auf ihren Wegen unterstützen. Hier überall liegen Möglichkeiten, etwas zu teilen, ohne dass man am Ende selber dasteht und nichts mehr hat. Niemand ist verpflichtet, sich über einen langen Zeitraum zu engagieren, denn auch wer nur einmal etwas gibt, hilft weiter.
So kann es eine gute Erfahrung sein, einmal zu überlegen, wovon man selber mehr als genug hat. Dabei kann man entdecken, dass man irgendwie doch reich ist, auch wenn man nicht so viel hat. Vielleicht haben die Kinder noch Spielzeug, das ungenutzt in Kisten lagert. Oder es gibt noch ein Fahrrad, das von keinem mehr gefahren wird. Oder jemand kann dabei helfen, WLAN in Flüchtlingsunterkünften einzurichten, damit die Menschen mit ihren Angehörigen kommunizieren können.

Geben, von dem, was man reichlich hat

Vielleicht erlebt jemand, dass nicht viel Dank zurückkommt, wenn man etwas teilt. Manchmal beschleicht einen sogar das Gefühl, dass der Einsatz als selbstverständlich angesehen wird. Auch hier kann der heilige Martin ein Beispiel sein. Er erwartet nicht viel vom Bettler am Wegrand, sondern reitet gleich weiter. Viel hätte der Bettler auch nicht geben können, aber selbst zum Dank kommt es nicht mehr. Martin selber träumt in der Nacht davon, dass Christus zu ihm kommt und dabei den Mantelteil trägt, den er dem Bettler gegeben hat. Für ihn war das wohl mehr Dank und Bestätigung als genug.
Auch wir erleben vielleicht, dass uns jemand unser Engagement nicht dankt. Weil es irgendwie untergeht, weil keine Zeit ist, weil jemand nicht aufmerksam ist. Dennoch können wir darauf vertrauen, dass das Teilen eine Auswirkung hat, auch für und auf einen selber. Vielleicht kann man selber einmal davon profitieren, was durch das Engagement entstanden ist. Vielleicht gibt es auch einfach mehr Platz in der Wohnung. Oder vielleicht erweitert man einfach seinen Horizont, entdeckt ganz neue Dinge und erlebt, dass man etwas kann, was man sich selber gar nicht zugetraut hätte. Das ist dann eine echte Win-Win-Situation des Teilens. KNA