Mit der Verleihung des Memminger Freiheitspreises am Freitag neigt sich das Memminger Gedenkjahr zu 500 Jahre „Zwölf Artikel“ dem Ende zu. Geehrt wurde diesmal der Fußballtrainer Christian Streich (60). „Du hast das Stadion zum Lernort der Demokratie gemacht“, sagte die Laudatorin, die bayerisch-schwäbische Bundestagsabgeordnete Claudia Roth (Grüne), laut Manuskript in der evangelischen Kirche St. Martin. Streich zeige, dass Freiheit und Menschenwürde immer wieder verteidigt werden müssten. Streich war knapp 30 Jahre lang Spieler und Trainer beim SC Freiburg und meldet sich regelmäßig in politischen und gesellschaftlichen Debatten zu Wort.
Fußball sei bei Streich nie ein Spiel allein um Punkte, sondern ein Spiel um Haltung, um Respekt, um Menschlichkeit, sagte Roth weiter. Wenn viele seiner Fußballkollegen eher still seien, erhebe Streich seine Stimme. „Klar, unmissverständlich, auch wenn es unbequem ist und nicht allen gefällt.“ Streichs Satz von 2015 – also auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegung über die Balkan-Route nach Deutschland -, „Wir sind alle mal Flüchtlinge gewesen“, sei ein menschlicher Weckruf. Außerdem zeige Streich die Rote Karte gegen Antisemitismus, Rassismus, Antiziganismus, Homophobie, Sexismus und jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
„Es ist völlig inakzeptabel, dass unsere Stadien immer noch nicht frei sind von rassistischer Beleidigung und hasserfüllter Stimmungsmache“, sagte Roth weiter. Christian Streich wisse, wie fragil die Demokratie sei. Das zeige seit sieben Monaten US-Präsident Donald Trump in den USA. „Unsere Demokratie ist kein Monument aus Stein, das für alle Zeit sicher steht. Sie muss verteidigt werden, Tag für Tag.“ Sie brauche Menschen wie Christian Streich, die Verantwortung übernehmen. Er mache Mut, in Zeiten, in denen manche resignieren wollten.
Die evangelischen Memminger Dekane Christoph und Claudia Schieder, Sprecher des Kuratoriums „Memminger Freiheitspreis 1525“, würdigten Streich für seinen Einsatz für Fairness, Respekt und Teamgeist. Streich strahle aus: „Wegducken ist keine Option“, sagte Christoph Schieder in seinem Grußwort. Stattdessen müsse man aufrecht einstehen für Menschenfreundlichkeit und für bürgerschaftliches Engagement. Man dürfe nicht lange herumreden, sondern müsse klare Worte wagen, wenn Menschlichkeit, Vielfalt, Demokratie angegriffen würden. Diese Courage verbinde Streich mit dem Anliegen der Memminger Versammlung von 1525.
Memmingens Oberbürgermeister Jan Rothenbacher (SPD) bezeichnete Streich in seiner Begrüßung als „prägende Persönlichkeit des deutschen Fußballs“, die sich nicht nur durch sportliche Erfolge auszeichne, sondern auch durch engagiertes Eintreten gegen jegliche Form von Diskriminierung. Streich fordere alle in diesem Land auf, aufzustehen und sich ganz klar für Menschenrechte und Demokratie zu positionieren. „Und genau das ist es, was wir brauchen. Denn Demokratie funktioniert nur gemeinsam“, sagte Rothenbacher. „Christian Streich ist eine starke Stimme unserer Zeit im Geist der ‘Zwölf Artikel’.“
Streich hatte als Profi für den SC Freiburg gespielt, ab 1995 war er zunächst Jugendtrainer, dann mehr als zwölf Jahre Cheftrainer. 2024 gab er das Amt auf eigenen Wunsch ab. Der Memminger Freiheitspreis ist mit 25.000 Euro dotiert. Er wird seit 2005 in unregelmäßigen Abständen an Personen verliehen, die sich um die Freiheit der Menschen verdient gemacht haben. Die Verleihung des Freiheitspreises markiert den Abschluss des Festjahres zu 500 Jahre „Zwölf Artikel“, die während des Bauernkrieges in Memmingen verfasst wurden und nach der Magna Carta als eine der frühesten schriftlichen Forderungen nach Freiheitsrechten in Europa gelten.
Verfasst wurden die Forderungen, die eine stark reformatorische Handschrift tragen, bei einem Treffen aufständischer Bauern. Dank des Buchdrucks fanden sie von Memmingen ausgehend eine schnelle Verbreitung. Der Aufstand gegen die adlige und kirchliche Obrigkeit wurde weitgehend blutig niedergeschlagen, bis zu 100.000 Menschen starben in Süd- und Mitteldeutschland. Bereits Anfang März hatten die ersten Veranstaltungen des Memminger Festjahres begonnen, einer der Höhepunkte ist die noch bis 19. Oktober dauernde Bayernausstellung „Projekt Freiheit“ rund um Memmingen und die Bauernkriege. (3082/03.10.2025)