Der Crash einer Boeing 787 erschüttert Indien und die Luftfahrtbranche. Mehr als 200 Menschen sterben, darunter auch Briten, Portugiesen und ein Kanadier. Ein 40-Jähriger überlebt. Noch ist unklar, was zum Unglück führte.
Ein Verkehrsflugzeug der Air India mit 242 Menschen an Bord ist am Donnerstag nur wenige Sekunden nach dem Start vom indischen Flughafen Ahmedabad abgestürzt. Der als überaus erfahren geltende Pilot der Boeing 787 “Dreamliner” hatte nach Angaben der nationalen Luftfahrtbehörde gerade noch Zeit für einen Notruf, bevor seine Maschine 1,5 Kilometer vom Ende der Startbahn 23 in einem riesigen Feuerball aufging. Sie war für einen Langstreckenflug nach London-Gatwick mit hunderttausenden Litern Kerosin vollgetankt – das Flammenmeer, das die eilends herbei eilende Feuerwehr nur kurz darauf zu bekämpfen begann, war daher verheerend. Die Trümmer zerstörten einen Wohnkomplex in einem Klinikgelände und verletzten zahlreiche Medizinstudenten.
Offiziell ist die Zahl der Toten noch immer unbekannt, doch machen die Behörden kaum Hoffnung auf Überlebende. Bis zum Abend sprach die Polizei von 204 Toten. Nur ein Passagier überlebte nach offiziell noch unbestätigten Medienberichten. In unbestätigten Medienberichten war von mindestens 50 verletzten Medizinern die Rede. Die Behörden riefen zu Blutspenden auf.
Völlig unklar ist noch, was konkret bei Flug AI 171 passiert ist – die Flugunfalluntersuchungen der internationalen Experten dürften Monate dauern. Nach den Regeln der Weltluftfahrt können auch Länder, aus denen die Opfer stammen, Experten entsenden. Ersten Angaben zufolge waren neben Briten auch Portugiesen und ein Kanadier an Bord. Die Auswertung des Cockpit-Voice Recorder und vor allem des Flugdaten-Recorders dürfte erste wichtige Hinweise geben.
Auf Videos in den sozialen Medien ist zu sehen, wie der Jet mit dem Kennzeichen VT-ANB nur kurz nach dem Start an Höhe verliert, wieder zu Boden schwebt und in Flammen aufgeht. Er hatte nach Informationen des Luftfahrt-Fachdienstes Flightradar24 gerade mal eine maximale Höhe von 425 Fuß über Grund erreicht – etwa 130 Meter.
Die “Hindustan Times” zitiert einen 40-jährigen britischen Überlebenden mit den Worten, es habe 30 Sekunden nach dem Start einen enormen Knall gegeben, danach sei es bergab gegangen. Er habe auf Platz 11a gesessen und konnte sich erstaunlicherweise verletzt aus den Trümmern retten. Sein Name wurde von dem Medien-Portal “IndiaToday” mit Ramesh Viswashkumar angegeben. Unklar sei das Schicksal seines Bruders, der in einer anderen Sitzreihe gesessen habe.
Tatsache ist, dass Starts und Landungen bei Flügen zu den sensibelsten Phasen zählen. Die Geschwindigkeit von Flugzeugen liegt dabei nur wenig über der sogenannten stall speed – der Geschwindigkeit, bei der die Tragflächen keinen Auftrieb mehr erzeugen und das Flugzeug abstürzen lassen. Gründe für einen plötzlichen Triebwerksausfall können von Wartungsmängeln über mechanische Probleme oder Pilotenfehler bis hin zum Vogelschlag reichen, bei dem Vögel in die auf Höchstleistung laufenden Triebwerke geraten. In New York etwa hatte der Pilot Chelsey Sullenberger 2009 einen Airbus gerade noch im Hudson-River notlanden können, nachdem ein Schwarm Gänse beide Triebwerke hat ausfallen lassen.
Tödliche Unfälle sind in der Luftfahrt extrem selten – doch wenn sie passieren, sind sie meist tragisch und sorgen weltweit für Schlagzeilen. Im Falle der Boeing 787 dürften sie für noch mehr Aufsehen sorgen, da dieses Modell als eines der sichersten Flugzeuge weltweit gilt – Boeing hatte vor kurzem erst verkündet, dass die “Dreamliner” seit ihrer Markteinführung im Jahr 2011 eine Milliarde Passagiere ohne Zwischenfälle befördert hätten.
Für das US-Unternehmen, dessen Aktie kurz nach dem Absturz einknickte, kommt die Nachricht vom Absturz des “Dreamliners” zur Unzeit. Boeing hatte nach diversen Imageschäden gerade erst wieder wirtschaftlichen Auftrieb verspürt.