Die Kirchenglocke von 1513 wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt. Seit vielen Jahrzehnten stand sie auf einem gemauerten Podest im Pfarrhof der Kirchengemeinde in Berlin-Heinersdorf. Voraussichtlich zwischen Donnerstag, dem 13. Juli, und Sonntag, dem 16. Juli, wurde sie nach Angaben der Gemeinde aus dem Kirchenkreis Berlin-Nordost widerrechtlich abtransportiert. Die Gemeinde bittet nun um Hinweise zum Verbleib der Kirchenglocke.
Sehr altes Kirchengelände
Betritt man durch einen großen Torbogen am Ende einer Zufahrt rechts von der Kirche den Pfarrhof, fällt einem sofort der leere quadratische Sockel aus gemauerten Ziegelsteinen auf. Unter einer alten Birke vor der Sakristei zur Kirche, die um das Jahr 1300 gegründet wurde, umgeben vom Kirchgarten, Pfarrhaus und Margaretenhaus, gähnt eine leere Stelle. Die hier fehlende Glocke stammt – laut einer Heinersdorfer Chronik von Johannes Krätschell – aus dem Jahr 1513 und ist Bestandteil des wahrscheinlich ältesten vollständig erhaltenen Geläuts in Berlin. Drei Glocken konnten über beide Weltkriege vor dem Einschmelzen bewahrt werden. Die beiden anderen noch bespielten Glocken stammen mindestens aus der gleichen Zeit. In den Kampfhandlungen am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden der Kirchturm von 1935 und die nun fehlende Glocke beschädigt.
Beschädigte Glocke sollte neu gegossen werden
Diese war aufgrund ihrer zwei Einschusslöcher nicht mehr nutzbar. Der damalige Pfarrer Eberhard Krätschell wollte aus der defekten Glocke eine neue gießen lassen. Stattdessen wurde eine neue Glocke gegossen, die das Geläut vervollständigte. Die defekte alte Glocke blieb somit erhalten und wurde erst durch den nachfolgenden Pfarrer Peter Lück in der Zeit nach 1971 im Pfarrhof auf einem gemauerten Podest als Mahnmal aufgestellt.
Die Glocke trägt die umlaufende Inschrift „O REX CHRISTE VENI CUM PACE TUO“, O König Christus, komm mit deinem Frieden.
„Ich kenne die Glocke seit meinen Kindertagen an diesem Platz auf dem Pfarrhof“, sagt Sebastian Hein, Vorsitzender des Gemeindekirchenrats (GKR). Er erinnert sich an sie aus seiner Zeit, als er mit den Kindern, die die Christenlehre besuchten, auf dem Hof gespielt oder später mit den Jungen der Gemeinde ein Lagerfeuer entzündet habe. Zu jeder Konfirmation wurde ein Foto der Konfirmierten zusammen mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin neben der Glocke gemacht. „Bis heute hat bei jedem Weg über den Pfarrhof mein Blick die Glocke gestreift“, sagt Hein.
Bestürzung über diesen dreisten Diebstahl
Die Bestürzung vor Ort ist groß Auch für Ragnhild Pescheck vom GKR ist die Glocke deshalb ein Stück Identität mit diesem Ort und der Kirchengemeinde. Die umlaufenden Rabatten mit Lavendel, Rosmarin, Astern und Christrosen als Teil des Projekts Bibelgarten können über den Verlust nicht hinwegtrösten. „Seit 50 Jahren gehört die Glocke für mich zum Inventar der Gemeinde – wie der Taufbrunnen von 1626.“
Hinweise auf den Verbleib der Kirchenglocke nimmt jede Polizeidienststelle entgegen. Auch die Kirchengemeinde nimmt gerne jede Information entgegen, die zum Verbleib der Glocke führt.
Walter Plümpe ist freier Autor