An unscheinbaren Anfängen hat sich vor 500 Jahren im südbadischen Stühlingen der Flächenbrand des großen Bauernkriegs entzündet. Denn die Bauern der Landgrafschaft Stühlingen sollten im Sommer 1524 für die Gräfin Clementia leere Schneckenhäuser sammeln, damit die Mägde im Schloss darauf Garn wickeln konnten, wie zeitgenössische Chroniken berichten. Diese willkürliche Zwangsmaßnahme beschreibt – möglicherweise als bewusste Überspitzung – die Belastungen, unter denen die Bauern zu dieser Zeit zunehmend zu leiden hatten: Sie mussten für die herrschaftliche Tafel Pilze und Beeren zusammentragen, im Schloss als Wachleute und Dienstboten fungieren, durften ihren kargen Speiseplan nicht durch Jagd und Fischfang aufbessern, mussten dafür aber mit ansehen, wie die adeligen Herren bei Jagden ihre Felder verheerten.
Bei jedem Todesfall waren Abgaben, wie etwa ein Stück Vieh, an die Stühlinger Grafen fällig. Das gravierendste Problem für die Bauern war die Leibeigenschaft, die sie und ihre Familien der Willkür der Territorialherren auslieferte. In dieser bedrängenden Notlage waren dann Schikanen wie das Schneckensammeln zur Erntezeit offensichtlich ein letzter Funke. Den Boden für den Aufstand der Bauern hatte wohl auch der Reformator Martin Luther mit seiner Lehre von der „Freiheit eines Christenmenschen“ bereitet. Die Bauern taten sich zusammen, drängten massiv auf Veränderung und zogen im offenen Protest am 23. Juni 1524 vor das Stühlinger Schloss.
Auf die Forderungen seiner Bauern ging Graf Siegmund von Lupfen nicht ein und forderte ihre Unterwerfung, die für die Bauern jedoch nicht mehr infrage kam. Stattdessen präsentierten sie ihre Forderungen. Weil sie aber auf eine gütliche Verständigung aus waren, setzten sie auf Verhandlungen und den Rechtsweg, weshalb sie beim Reichskammergericht in Esslingen eine Klageschrift mit 62 – relativ moderaten – Punkten einbrachten.
Da es zu keiner einvernehmlichen Lösung zwischen den Bauern und ihren adeligen Territorialherren kam, die ihre Privilegien und Machtpositionen nicht aufgeben wollten, eskalierte der Konflikt: Die Bauern organisierten sich als bewaffneter „Stühlinger Haufen“ und warben für ihre Forderungen auch in den angrenzenden Regionen, in denen sich aufständische Bauern schnell beispielsweise zu dem „Hegauer Haufen“ oder dem „Baltringer Haufen“ zusammenschlossen. In einem basisdemokratischen Verfahren formulierten die Bauern ihre Forderungen und wählten sich „Hauptleute“. Die Adels-Partei setzte hingegen auf eine Hinhalte-Taktik und ging nur scheinbar auf Verhandlungen ein. Das alles steigerte den Zorn der Bauern, die nun mehrere Burgen und Klöster verwüsteten.
In der Zwischenzeit hatte die Adels-Partei ein schlagkräftiges Söldner-Heer aufgestellt, an der Spitze Truchsess Georg von Waldburg (1488 – 1531), ein erfahrener und skrupelloser Militär. Obwohl diese Streitmacht den Bauern zahlenmäßig weit unterlegen war, fügte der „Bauernjörg“ dem 15.000 Mann starken „Haufen“ der Bauern am 12. Mai 1525 bei Böblingen eine vernichtende Niederlage zu – wie auch allen anderen Gruppierungen der Bauern in Süddeutschland. Vor allem der Reiterei und den Kanonen, die von Waldburg ins Feld führte, waren die oft chaotisch agierenden und militärisch unerfahrenen Bauern nicht gewachsen. Die überlebenden Bauern ereilte ein furchtbares Strafgericht: Die Anführer wurden allesamt hingerichtet, die gefangenen Bauern verstümmelt und grausam gefoltert, ihre Dörfer niedergebrannt. Nach Schätzungen kamen um die 100.000 Bauern ums Leben.
Einen lebendigen Einblick des Bauernkriegs und seiner Schrecken vermitteln mehrere Ausstellungen in Baden-Württemberg. Die große Landesausstellung „500 Jahre Bauernkrieg“ im Landesmuseum Stuttgart will dabei ab dem 26. Oktober einen Bogen in die Gegenwart schlagen. Denn die mit dem Bauernkrieg verbundenen Ziele und Werte, wie etwa Freiheitsrechte oder Mitbestimmung und der Wunsch nach demokratischen Entscheidungsprozessen, haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zufolge nichts von ihrer Aktualität verloren. Deshalb solle die Ausstellung nicht nur an die historischen Ereignisse erinnern, sondern auch das Bewusstsein für diese Werte nachhaltig schärfen. Ergänzt wird „500 Jahre Bauernkrieg“ – mit einem Gesamtbudget von 7,15 Millionen Euro den Angaben zufolge die bisher umfangreichste Landesausstellung – mit einer „Roadshow“ in rund 20 Orten und einer Mitmachausstellung im Kindermuseum Junges Schloss in Stuttgart.