Pixie-Haarschnitt, Business-Outfit und durchdringender Blick: Als „M“, Chefin des britischen Geheimdienstes MI6, rettete Judi Dench die James-Bond-Serie, das Urbild Testosteron-getränkten Action-Kinos, hinüber ins 21. Jahrhundert. „Sie sind ein sexistischer, frauenfeindlicher Dinosaurier“, beschied sie Pierce Brosnan in der Rolle des 007 gleich in ihrem ersten Bond-Film „Golden Eye“ (1995). Wie ein geläuterter Sohn wirkt dagegen Daniel Craig, wenn die Übermutter in „Skyfall“ (2012) in seinen Armen ihr Leben aushaucht. Mit Ralph Fiennes ist die Rolle der „M“ inzwischen wieder mit einem Mann besetzt.
Doch dieses ikonisch gewordene Image verstellt ein wenig den Blick auf das große Lebenswerk der Judith Olivia Dench, die am 9. Dezember 90 Jahre alt wird. Vor allem als Shakespeare-Darstellerin machte sie sich in Großbritannien einen Namen. Den Lawrence Olivier-Award als „Beste Schauspielerin“ erhielt sie mehrfach, etwa als Lady Macbeth oder als Cleopatra in Peter Halls Inszenierung von „Antonius und Cleopatra“ an der Seite von Anthony Hopkins. Das Fachmagazin „The Stage“ kürte sie 2010 zur „Besten britischen Theaterschauspielerin aller Zeiten“. Vom Königshaus wurde Judi Dench 1988 zur „Dame Commander of the British Empire“ geadelt.
Geboren wurde Judi Dench 1934 im Nordwesten Englands. Mit vier älteren Geschwistern wuchs sie in einem streng-religiösen Haushalt auf, der Vater war Arzt des Theatre Royal in York. Nach dem Abschluss an der Schauspielschule in London schloss Dench sich der „Royal Shakespeare Company“ an, gehörte zum Ensemble des National Theatre und des traditionsreichen „Old Vic Theatre“ in London.
Als Ophelia in Shakespeares „Hamlet“ hatte sie 1957 in Liverpool ihr professionelles Debüt – aus Sicht des Kritikers Richard Findlater war es allerdings ein „Debakel“. Nur zwei Jahre später erlebte sie unter der Regie von Franco Zeffirelli dann ihren Durchbruch in der Titelrolle von „Romeo und Julia“ am „Old Vic“. Als Queen Elizabeth kehrte Dench 1998 in dem Film „Shakespeare in Love“ zu diesem Stoff zurück.
Die englische Königin spielte Judi Dench, prädestiniert für die Rolle der starken Frau, gleich dreimal. In John Maddens „Ihre Majestät Mrs. Brown“ geht es um die Beziehung von Queen Victoria zu ihrem treuen schottischen Diener John Brown – eine Verbindung, die seinerzeit Unruhe und Intrigen bei Hofe ausgelöst hatte. In „Victoria & Abdul“ erzählt Stephen Frears von der Freundschaft der legendären Königin mit dem Inder Abdul Karim, der sie bis an ihr Sterbebett begleitete. Die Briten, schrieb der Kritiker Michael Coveney einmal, würden Judi Dench in einer offenen Wahl vermutlich zu ihrer Königin wählen.
Ausgerechnet für die nur achtminütige Nebenrolle in „Shakespeare in Love“ wurde sie im Jahr 1999 mit ihrem einzigen Oscar ausgezeichnet. Am Vorabend der Verleihung notierte sie ironisch, dass sie wohl „das einzige nicht geliftete Gesicht in Hollywood“ sei. Siebenmal war Judi Dench zuvor für eine Hauptrolle nominiert, unter anderem für ihre berührende Darstellung der an Alzheimer erkrankten englischen Schriftstellerin Iris Murdoch in „Iris“ oder der Philomena im gleichnamigen Film von Stephen Frears, in dem sie eine Mutter auf der verzweifelten Suche nach ihrem einst zwangsadoptierten Sohn spielt.
Das Privatleben der bekennenden Quäkerin ist für die Klatschpresse wenig ergiebig: Im Jahr 1971 heiratete sie den Schauspieler Michael Williams, mit dem sie auch oft auf der Bühne stand. Ein Jahr später kam Tochter Tara Cressida Frances zur Welt, die unter dem Namen Finty Williams ebenfalls als Schauspielerin arbeitet. Michael Williams starb 2001.
Die Augenerkrankung Makuladegeneration, die Dench 2012 öffentlich machte, hat sie inzwischen nahezu erblinden lassen. In den vergangenen Jahren war sie in kleineren Rollen zu sehen, so in dem Film „Belfast“ (Regie: Kenneth Branagh, 2021), in dem es um das Schicksal einer Familie während des Nordirland-Konflikts im Jahr 1969 geht. Und unter Mitwirkung des Schauspielers Brendan O’Hea publizierte Judi Dench jüngst ein anekdotenreiches Buch mit Erinnerungen – im Titel der Mann, der ihre große Karriere immer begleitete: „Shakespeare. The Man Who Pays the Rent“.