Die richtigen Worte finden für Gott, um zu ihm und von ihm zu sprechen – das hat Gläubige wohl seit Anbeginn der Menschheit umgetrieben. Schon im Alten Testament geht es um die Frage: Wie erzähle ich von dem, was ich von Gott geschenkt bekomme, was ich mit ihm erlebe, was er in meinem Herzen bewegt?
Sicher gibt es unzählige Weisen, davon zu reden – so viele, wie es Menschen gibt, die an Gott glauben. Aber es gibt auch die gemeinsamen, zum Symbol und Ritual gewordenen Worte, die in Geschichten, Gebeten und Geboten das Wesen eines Glaubens auf den Punkt bringen. Für Juden und Christen finden sich diese Worte in der Heiligen Schrift, der Bibel. Sie sind uralt, geprägt in einer Sprache, die vor Jahrtausenden gesprochen wurde. Dass sie uns heute immer noch etwas zu sagen haben, liegt auch an Menschen, die das Alte in ihre Gegenwart übertragen haben. Menschen wie Martin Luther.
Martin Luther war ein Sprachsucher. Als er sich an die Übersetzung der Bibel machte, ging es ihm nicht um eine wortwörtliche Übertragung, sondern darum, der Botschaft von der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes in seiner Zeit eine angemessene Form zu geben.
Unermüdlich suchte er nach den „richtigen“ Worten – also nach solchen, die sowohl seinen Leserinnen und Lesern gerecht wurden als auch dem ursprünglichen Bibeltext. Dabei wandelte sich seine Haltung: Während er sich in seiner ersten Ausgabe des Neuen Testaments im Jahr 1522 noch recht wörtlich an den griechischen Urtext hielt, schaute er in späteren Überarbeitungen dem Volk immer mehr „aufs Maul“: Er passte Ausdrücke den Gegebenheiten seiner Umwelt an und achtete auf eine wohllautende und rhythmische Sprachgestalt – nicht zuletzt mit dem Ziel, dass die Texte gut auswendig zu lernen sein sollten.
Heute klingt Luthers Sprache oft altmodisch in unseren Ohren – aber gleichzeitig vertraut und nach wie vor poetisch. Die neueste Überarbeitung der Lutherübersetzung, die jetzt in den Verkauf kommt (siehe Seite 2), hat sich daher auch nicht zum Ziel gesetzt, seine Sprache gegen modernes Deutsch auszutauschen. Sie sieht die fast 500 Jahre alte Lutherbibel vielmehr als einen Grundtext, auf den man in der Vielzahl neuerer Übersetzungen immer wieder zurückgreifen kann. Darum veränderten die Forscher die letzte überarbeitete Version von 1984 so, dass vor allem die inhaltlich getreue Wiedergabe der hebräischen und griechischen Urtexte besser gewährleistet war – und kamen dabei nicht selten vom zuvor revidierten Text wieder auf Luthers Originalformulierungen zurück.
Ob das funktioniert, wird erst der Gebrauch der neuen Version in Gottesdiensten und bei der persönlichen Bibellektüre erweisen. Aber selbst, wenn manches Wort dann doch nicht passt – es gilt Luthers Einschätzung: Evangelium ist „eigentlich nicht das, was in Büchern stehet und in Buchstaben verfasset wird, sondern mehr eine mündliche Predigt und lebendiges Wort und eine Stimme, die da in die ganze Welt erschallet“.
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Die richtigen Worte für Gott
Die Heilige Schrift fasst das zusammen, was Menschen mit Gott erlebt haben. Um ihre Worte in die Gegenwart zu übersetzen, suchen Gläubige immer wieder neu nach angemessenen Formulierungen