Artikel teilen:

“Die letzte Nacht in Mailand”: Krimidrama als ZDF-Premiere

Sehenswertes Krimi-Drama im ZDF mit raffinierter Erzählstruktur. Ein Mailänder Polizist kämpft darum, seinen Ruf, seine Pension und seine Zukunft zu retten.

In seiner letzten Nacht vor dem Ruhestand muss Franco Amore (Pierfrancesco Favino) alle Register ziehen, um nach einem illegalen Deal mit tödlichem Ausgang noch den Kopf aus der Schlinge zu ziehen
In seiner letzten Nacht vor dem Ruhestand muss Franco Amore (Pierfrancesco Favino) alle Register ziehen, um nach einem illegalen Deal mit tödlichem Ausgang noch den Kopf aus der Schlinge zu ziehenZDF/Loris T. Zambelli

Es beginnt mit einer spektakulären Einstiegsszene: Aus der Vogelperspektive kommt die Metropole Mailand ins Bild; die Kamera nähert sich langsam und schwenkt schließlich an einem modernen Wohnblock direkt ins Fenster einer Wohnung voller Gäste. So beginnt der Krimi “Die letzte Nacht in Mailand”, der am Montag, 19. August, um 22.15 Uhr im ZDF läuft.

Franco Amore (Pierfrancesco Favino), ein altgedienter Polizist, wird von Viviana, seiner zweiten Ehefrau, mit einer Überraschungsparty empfangen. Es ist Francos letzter Arbeitstag nach 35 Jahren im Polizeidienst. Doch kaum ist der Endfünfziger auf der eigenen Party aufgetaucht, bekommt er schon einen Anruf von seinem Vorgesetzten. Er muss noch einmal zum Dienst. Der Beginn unseliger Verwicklungen.

Handlung dramaturgisch komplex aufgebaut

Nachdem sich Franco früher ins einer Karriere auf fragwürdige kleine “Nebenverdienste” eingelassen hat, wird er nun zum Opfer einer Intrige, in die chinesische Mafiosi und korrupte Polizisten verwickelt sind. Statt friedlich in den Ruhestand zu gehen, versucht er nun verzweifelt, aber entschlossen, seinen Ruf, seine Pension und seine Zukunft zu retten.

Dabei konzentriert sich das Krimi-Drama von Genre-Spezialist Andrea di Stefano auf seinen charismatischen (Anti-)Helden; die Nebenfiguren geraten dagegen ein wenig schematisch. Doch da der Hauptdarsteller zu großer Form aufläuft und die Handlung dramaturgisch komplexer aufgebaut ist, als es zunächst scheint, überzeugt der sehenswerte Film von 2023 doch als spannend-unterhaltsamer Genrebeitrag.

Francos letzter Arbeitstag nach 35 Jahren im Polizeidienst

Es beginnt mit einer spektakulären Einstiegsszene: Aus der Vogelperspektive kommt eine riesige Metropole ins Bild. Zunächst sieht man Wolkenkratzer, später monumentale Altbauten. Schließlich erkennt man das riesige Gelände des Mailänder Hauptbahnhofs, und die Kamera schwenkt an einem modernen Wohnblock direkt ins Fenster einer Wohnung voller Gäste.

Nach dem tödlichen Zwischenfall in dem vielbefahrenen Autotunnel versucht sich Franco (Pierfrancesco Favino) in Sicherheit zu bringen
Nach dem tödlichen Zwischenfall in dem vielbefahrenen Autotunnel versucht sich Franco (Pierfrancesco Favino) in Sicherheit zu bringenZDF/Loris T. Zambelli

Erst nach gefühlten fünf Minuten landet die Kamera in den Innenräumen von Franco Amore, einem Polizisten, für den Viviana, seine zweite Ehefrau, eine “Überraschungsparty” organisiert hat. Es ist Francos letzter Arbeitstag nach 35 Jahren im Polizeidienst.

Doch kaum ist der Endfünfziger auf der eigenen Party aufgetaucht, bekommt er schon einen Anruf von seinem Vorgesetzten. Er muss noch einmal zum Dienst. Ein Unfall mit Todesfolge in einem Tunnel. Dabei handelt es sich jedoch um einen Tatort mit toten Polizisten. Darunter auch Dino, Francos bester Freund.

Rückblende: Franco war immer anständig

Dann beginnt eine Rückblende, die zehn Tage zurückführt. Franco schreibt bereits an seiner Abschiedsrede, in der er betont, in 35 Dienstjahren habe er nicht einmal jemanden erschossen. Franco war immer anständig, kollegial, loyal. So will es seine Polizistenlegende. Was macht es da schon, dass er Cosimo, einen etwas schmierigen Verwandten seiner Frau, im Dienstwagen kutschiert, wenn dabei ein kleines Taschengeld herausspringt?

Cosimo bringt ihn mit einem chinesischen Paten zusammen, der einen Fahrer für gelegentliche Besorgungen oder Kurierdienste sucht. Franco ist unsicher. Wenn überhaupt, dann erst nach seinem letzten Arbeitstag. Die Pension will er nicht aufs Spiel setzen. Und wenn er schon Fremde fährt, dürfen sie auf keinen Fall bewaffnet sein.

Alles endet in einem Gewaltrausch

Natürlich kommt alles anders – und ein Auftrag, bei dem er eine Chinesin und ihren Begleiter vom Flughafen abholt, läuft so schief, wie er nur schiefgehen kann. Alles endet in einem Gewaltrausch, der Franco dann am Tag vor der Pensionierung wieder einholt.

Regisseur Andrea di Stefano setzt mit einem der derzeit wohl bekanntesten Schauspieler Italiens, Pierfranceso Favino, auf seinen wie so oft exzellent aufspielenden Star. Favino spielt Franco Amore als den guten Cop von nebenan, der etwas behäbig und unentschlossen agiert, nicht gut Nein sagen kann, immer auf einfache Prinzipien setzte und plötzlich von einer bedrohlichen Ausnahmesituation völlig überfordert ist. Das macht die Figur sehr menschlich und zugänglich. Favino wertet so die schon öfter erzählte Fabel vom letzten Tag eines eigentlich anständigen Menschen, der auf eine schiefe Bahn geraten ist, wohltuend auf.

Korruptions-Graubereich zwischen Polizei und Mafia

Nach dem optischen und stilistischen Feuerwerk der Eingangssequenz setzt der Regisseur im Laufe des Films vielleicht zu sehr auf konventionelle Einstellungen, schafft allerdings eine ziemlich raffinierte Erzählstruktur, weil die Bilder des Beginns kurz vor dem Finale noch einmal wiederholt werden, nur diesmal mit Dialogen, die eine völlige Neuinterpretation im Vergleich zum fast gemütlichen Beginn ermöglichen.

Ungewöhnlich für einen italienischen Film, der im Korruptions-Graubereich zwischen Polizei und Mafia spielt, ist dabei sicherlich, dass es diesmal um die in Mailand agierende chinesische Mafia geht. Italiener sind in dieser Organisation nur die Handlanger. Das wirkt zwar mitunter nicht völlig klischeefrei, dafür zieht eine Dosis Realität in die Handlung ein, wenn man erfährt, dass einfache Polizisten alles andere als gut verdienen. Mit 1.400 Euro im Monat sind die Möglichkeiten für Dino, einen alleinerziehenden Vater, ziemlich begrenzt.

Dass es der Film trotz seiner Premiere als Special auf der Berlinale 2023 nicht in die deutschen Kinos schaffte, beweist einmal mehr die Mutlosigkeit deutscher Kinoverleiher, wenn es um europäisches Genrekino geht. In Frankreich und Italien lief das Werk auf der großen Leinwand durchaus mit achtbarem Erfolg. Den hat das insgesamt gut gemachte Krimi-Drama für ein breiteres Publikum auch verdient.

Der Krimi “Die letzte Nacht in Mailand” läuft am Montag, 19. August ,um  22.15 Uhr im ZDF.