Artikel teilen:

Die Kleinen flüstern über Christi Geburt

Weil das traditionelle Krippenspiel nicht live im Gottesdienst aufgeführt werden darf, drehte der Krippenspielkreis an der Johanneskirche in Bochum einen Krippenspielfilm. Orte im Stadtteil dienen als originalgetreue Kulisse.

Die Geschwister Maya, Ida und Lotta stehen als Hirten zwischen Schafen auf der Wiese des integrativen Mensch-Tier-Begegnungshofes. Im Pfarrgarten an der Johanneskirche der Evangelischen Gemeinde Bochum brechen Maria und der Zimmermann Josef aus Nazareth zur Volkszählung von Kaiser Augustus nach Bethlehem auf. Der Wirt empfängt die beiden später vor der Traditionsgaststätte im Stadtteil. Eine Engelschar von fünfjährigen Kindergartenkindern läuft munter durch den Altarraum. Sie flüstern sich die heilsbringende Botschaft zu: „Christ ist geboren“.  
All das zeigt der 15-minütige Krippenspielfilm, den der gemeindliche Krippenspielekreis für den diesjährigen Heiligabend drehte. „Pandemiebedingt ging das nicht anders. Unsere beliebte Aufführung war aufgrund der geltenden Hygieneregelungen nicht möglich“, erklärt Pfarrerin Heike Kümper dazu.

Corona-regelkonform vor der Kamera

In der Vergangenheit wirkten stets gut 25 Kinder im Alter von zwei bis 17 Jahren mit. Mehr als zehn erwachsene Betreuer begleiteten sie bei den Proben und der Aufführung. Zum Familiengottesdienst kamen meist mehr als 450 Besucher. Nach aktuellen Vorschriften dürfen gerade mal 65 Leute in die Kirche. Beim filmischen Krippenspiel, bei dem auch kurze Strophen bekannter kirchlicher Weihnachtslieder von zwei Ensembles eingespielt werden, wirken nun alle mit. Nur eben anders und heutigen Regeln konform.

„Als sich abzeichnete, dass Corona unser Leben auch zu Weihnachten bestimmen würde, setzten wir uns im September auf Abstand in der Kirche zusammen und suchten mit unserem Team eine Lösung“, erzählt Religionslehrer Roland Hirschhausen. Gemeinsam mit Pfarrerin Kümper koordiniert er die jährliche Vorbereitungsgruppe.

Verschiedene Ideen für Heiligabend machten die Runde. Etwa ein Stationen-Krippenspiel in der Kirche und im angrenzenden Stadtteil. Da das Team aber alle Aktiven bei der gesamten Aktion mitnehmen wollte – vor allem auch die Kindergarten- und Grundschulkinder –, wurde das schnell verworfen. Und was wäre gewesen, wenn es regnet oder schneit? „Spätestens als es zuletzt pandemiebedingt hieß, dass nur fünf Leute aus zwei Familien zusammenkommen können, hätten wir das nicht mehr durchführen können“, betont die Pfarrerin.

Der Film kennt einen Teil dieser Probleme nicht. „Bei den einzelnen Spielszenen haben wir natürlich darauf geachtet, dass wir die Zusammenkunfts- und Abstandsregeln einhalten“, sagt „Kameramann“ Hirschhausen, der die Produktion organisierte. So war es trotzdem möglich, eine Massenszene mit Engeln zu drehen. Dafür traten die Vorschulkinder aus der gemeindlichen Kindertagesstätte im Altarraum auf. Schließlich dürfen sie in ihrer Einrichtung auch gemeinsam spielen. „Kostüme hatten wir genügend, denn in der Vergangenheit wollten stets viele der kleinen Kinder Engel sein.“

Darüber hinaus nutzte der Lehrer die Möglichkeit, durch Geschwisterkinder nur Personen aus zwei Haushalten für die Sprechszenen zusammenzustellen. Dadurch konnten auch drei bis fünf Leute enger zusammenstehen. Etwa bei der Hirtenszene. Oder im Stall nach der Geburt Christi, für den ein offener Holzpavillon, der als Jugendtreff genutzt wird, zum Zuge kam.

Am Ende kamen sechs verschiedene Drehorte mit acht Szenen zusammen, drei davon an der Kirche. Während Maya, Ida und Lotta es richtig cool fanden, als Hirten auf der Wiese mitten zwischen echten Schafen zu sein, entdeckte der Regisseur einen anderen Lieblingsort für sich: den modern gestalteten Altarraum der Kirche aus Anfang der 60er Jahre. „Der war vielfältiger nutzbar, als ich mir vorab vorstellen konnte“, sagt Hirschhausen.

Acht Szenen an sechs Drehorten

Er drehte dort nicht nur die Engelsszene mit den Vorschulkindern. Auch die beiden „Erzählerinnen“ der biblischen Weihnachtsgeschichte Hanna und Lena (beide 13) fanden hier auf einem alten Sofa ihren Platz. Am Ende spielten dort auch die beiden Ensembles – ein Kinderquartett und ein Musizierkreis von Erwachsenen – ihre Stücke ein. Auf dem Kirchenvorplatz marschiert ein römischer Soldat auf. Der verkündet den Leuten von Nazareth, dass sie für die Volks- und Steuerzählung in ihre Heimatstädte zurückkehren müssen. Warum das Krippenspiel den Stadtteil derart einbindet, erklärt Pfarrerin Kümper: „Wir sind eine Gemeinde im Stadtteil. Mein Kollege Volker Rottmann gründete deshalb 1991 auch den ,StadtTeilLaden‘ als sozialen Treffpunkt mit Café, Mittagstisch und Beratungseinrichtung. Unser Krippenspielprojekt sollte ein Film aus der Gemeinde für die Gemeinde werden.“

Bei Akteuren vor und hinter der Kamera kommt die Aktion gut an. Die Erzählerinnen Hanna und Lena erklären: „Es ist zwar schade, dass wir in diesem Jahr kein richtiges Krippenspiel an Weihnachten machen können, weil das immer viel Spaß gemacht hat. Aber es ist auf jeden Fall schöner, diesen Film zu haben, als gar kein Krippenspiel.“

„Ich war bei allen Drehterminen dabei und war fasziniert und überrascht zugleich, wie motiviert die Kinder waren. Sie kamen alle vorbereitet zum Dreh, konnten ihren Text auswendig und hatten so viel Phantasiekraft, sich in die Geschichte hineinzuversetzen“, berichtet die ehemalige Kindergartenleiterin Vera Lemm-Just. Sie begleitete das Unterfangen, indem sie Kulissen mitgestaltete, den Kindern ihre Kostüme herausgab und sie zwischen den Aufnahmewiederholungen der Spielszenen beschäftigte.

Mit den Schafen auf die Wiese

Ihre Lieblingsszene wurde der Dreh am Begegnungshof. „Wir durften auf die Wiese, die Schafe wurden für uns aus dem Stall geholt und die Geschwister, die die Hirten spielten, hatten viel Freude.“ – Der Film ist nicht nur Heiligabend während der Familiengottesdienste zu sehen. Er wird auch in den Kindertagesstätten der Großgemeinde gezeigt. Darüber hinaus wird er auf die gemeindliche Internetseite geladen: www.johanneskirche.de.