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Die Insektenflüsterer von Nairobi

Es sieht aus wie ein schwarzes Staubkorn, aber für Sevgan Subramanian ist es ein kleiner Helfer. „Ein weibliches Parasitoid, das gerade Eier in die Eier des Herbst-Heereswurms legt“, erklärt der kenianische Wissenschaftler, was er in der gläsernen Box in seinem Labor beobachtet. Der Insektenforscher lacht leise, vielleicht amüsiert er sich darüber, wie eine Art die andere ausschaltet. Die Parasitoiden helfen dabei, den Schädlingen Einhalt zu gebieten und damit letztlich den Hunger in der Welt einzudämmen.

Subramanian leitet die Abteilung für Gesundheit der Umwelt („Environment Health Theme“) am Icipe, dem renommierten „Internationalen Zentrum für Insektenphysiologie und -ökologie“ in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Er hat sich als Wissenschaftler unter anderem einen Namen gemacht, weil er und sein Team Methoden entdeckt haben, wie der Herbst-Heereswurm auf ökologische Weise in Schach zu halten ist – ein Maisschädling, der ursprünglich aus Amerika stammt. Seit einigen Jahren breitet er sich weltweit aus, seit 2016 auch in afrikanischen Ländern. Mit katastrophalen Ernteverlusten für die Bäuerinnen und Bauern. Laut Zahlen der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO zerstören die gefräßigen Larven bis zu 50 Prozent der Ernte, wenn sie ein Feld erst einmal befallen haben.

Eine geradezu dramatische Menge, denn in Ostafrika produzieren die meisten Bäuerinnen und Bauern vor allem für den eigenen Bedarf, und Mais ist in Kenia das wichtigste Grundnahrungsmittel. Was der Schädling frisst, fehlt den Menschen auf dem eigenen Teller. In Afrika südlich der Sahara verursacht der Herbst-Heereswurm laut der FAO jährlich bis zu 18 Millionen Tonnen Ernteverluste beim Mais. Mehr als 300 Millionen Menschen sind von den Folgen betroffen, also Hunger und Armut.

In Subramanians Laboren stehen Terrarien neben- und übereinander. Große Löcher an der Vorderseite sind mit Gaze verschlossen, deren Enden verknotet sind. Die Forschenden können hineingreifen, ohne dass die Insekten hinausschlüpfen können. In den Käfigen befinden sich Eier oder Larven des Herbst-Heereswurms zusammen mit unterschiedlichen Arten ihrer natürlichen Feinde. „Wir wollen wissen, welche dieser Feinde in welchen Klimazonen besonders effektiv sind“, erklärt Subramanian.

Wer ihm zuhört, kann die Zuversicht zurückgewinnen, dass die Menschen Schädlingen wie dem Herbst-Heereswurm oder der Reismotte nicht ausgeliefert sind, selbst wenn sie keine teuren chemischen Pestizide einsetzen – die für die meisten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern unerschwinglich sind. Subramanian hält noch aus anderen Gründen nichts davon, die unerwünschten Lebewesen auf chemische Weise zu bekämpfen: „Wir vernichten dabei jedes Mal auch die natürlichen Feinde der Schädlinge“, kritisiert er, „abgesehen von möglichen Resten der Chemikalien auf den Lebensmitteln und eventuellen gesundheitlichen Folgen.“

Stattdessen setzen die Forschenden des Icipe auf biologische Methoden. Schon vor zwei Jahren gelang ihnen ein Durchbruch bei der Bekämpfung des Herbst-Heereswurms: Sie fanden drei einheimische Schlupfwespenarten, die den Nachwuchs des gefräßigen Schädlings angreifen. In einem Feldversuch setzten sie Hunderttausende dieser Schlupfwespen in kenianischen Maisfeldern frei, die vom Herbst-Heereswurm befallen waren. Die freigelassenen Arten konnten die Schädlinge um bis zu 55 Prozent dezimieren.

Das größte Problem seien Schädlinge, die neu irgendwo auftauchen, sagt Subramanian. Infolge des Klimawandels tritt das immer häufiger auf: Klimazonen verändern sich, und plötzlich finden Insekten ökologische Nischen in Regionen, die früher für sie unbewohnbar waren. „Die Eindringlinge haben dort erst einmal überhaupt keine natürlichen Feinde“, erklärt der Wissenschaftler. „Nach ein paar Jahren pendelt sich das ein, aber bis dahin haben die neuen Schädlinge freie Fahrt.“ Die Forschenden des Icipe sehen ihre Aufgabe darin, den natürlichen Prozess zu beschleunigen, indem sie den Schädlingen ihre Feinde sozusagen hinterhertragen.

Andere Methoden seien noch einfacher, darunter die Push-Pull-Bewirtschaftung, die vom Icipe entwickelt wurde: Zwischen die Maisstauden werden Leguminosen gepflanzt, die den Herbst-Heereswurm und andere Schädlinge durch ihren Geruch abstoßen. Um das Feld herum wird Napier-Gras gesetzt, das die Insekten anzieht. Einer Studie zufolge gab es auf Feldern, die von dem Schädling befallen waren, aber mit der Push-Pull-Methode bewirtschaftet wurden, rund 80 Prozent weniger Schäden.