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Die Himmelskönigin im blauen Mantel

Über die Farbwahl bei einer Heiligen und andere Eigenarten christlicher Kunst

Maria, die Mutter von Jesus Christus, hat in Theologie und Kirche eine erstaunliche Karriere erlebt. Die Bibel berichtet wenig von der Frau, die den Zimmermann Joseph heiratete. In späteren Jahrhunderten erhielt sie aber majestätische Titel wie „Himmelskönigin“ und „Gottesgebärerin“. Entsprechend hat sich auch ihre Darstellung in der christlichen Kunst verändert. Das zeichnet das neue Buch „Du sollst Dir (k)ein Bild machen“ der Stuttgarter Kunstpädagogin und Theologin Judith Welsch-Körntgen in mehreren Kapiteln nach.
Ab dem 12. Jahrhundert setzt sich der blaue Mantel in den Marienbildern durch. Ursprünglich dem Schwarzen nahe – und damit ein Sinnbild der um ihren Sohn trauernden Mutter –, hellt das Blau mehr und mehr auf. Die edle Farbe Lapislazuli kommt zum Einsatz und rückt die Leuchtkraft des Gewandes in himmlische Sphären. Erstaunlich auch, wie die erotischen Textbilder des alttestamentlichen „Hohelieds der Liebe“ mit der Mutter von Jesus verbunden werden – Maria, die Jungfrau, bekommt den Status der „Braut Gottes“.
Die Weihnachtsgeschichte hat bei christlichen Künstlern ihre eigenen Attribute erhalten. Überall tauchen an der Krippe Ochs und Esel auf, obwohl diese Tiere in den neutestamentlichen Berichten gar nicht erwähnt sind. Grundlage ist ein Wort des alttestamentlichen Propheten Jesaja (Kapitel 1): „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht, und mein Volk versteht's nicht.“
Eigenartig ist die Darstellung der „Heiligen Drei Könige“. Die Bibel schildert den Besuch von „Sterndeutern“ aus dem Osten und nennt nicht einmal ihre Zahl. Aufgrund der Geschenke (Gold, Weihrauch, Myrrhe) ging man bald von einem Trio aus. Und es wurden aus ihnen – ebenfalls wegen einer alttestamentlichen Prophetie – drei Könige, um damit die Hoheit des Christuskindes zu unterstreichen. Man ordnete sie den damals bekannten Erdteilen Europa, Asien und Afrika zu. DieBotschaft: Alle Welt verehrt den neugeborenen Messias.
Judith Welsch-Körntgen erhellt mit ihren Erklärungen und vielen Bildbeispielen die Motive und Symbole der christlichen Kunst. Sie breitet das Panorama aus von den ersten graphischen Darstellungen in römischen Katakomben bis zu Malern des 20. Jahrhunderts. So zeigt sie, wie sich Max Beckmann in einem Selbstporträt 1917 mit mehreren Anspielungen in die Pose des Gekreuzigten begibt. Vincent van Gogh hat sogar sein eigenes Gesicht im vom Kreuz abgenommenen Leichnam des Jesus Christus verewigt.

Judith Welsch-Körntgen: „Du sollst Dir (k)ein Bild machen.“ Die Bildsprache der christlichen Kunst. Verlag der Evangelischen Gesellschaft, 128 Seiten, 14,95 Euro.