Hat er, oder hat er nicht? Schwang Luther tatsächlich und höchstpersönlich den Hammer, um seine provokanten 95 Gegenthesen gegen das Ärgernis des Ablasshandels am 31. Oktober 1517 an die Pforten der Schlosskirche in Wittenberg zu hämmern? Über Jahrhunderte sind Konfirmanden, Theologen und Geschichtsstudenten und das einfache Christenvolk von dieser Tat begeistert und von ihrem Mut angerührt.
Doch bleibt man bei dem, was beweisbar ist, muss gesagt werden: Es war wohl anders. So entfaltet es auch Andreas Malessa in seinem Buch „Hier stehe ich, es war ganz anders“ (SCM Hänssler 2015). Luthers enger Freund, Philipp Melanchthon, spricht zwar davon, aber erst 40 Jahre nach dem Ereignis. Zudem war er zum Zeitpunkt noch gar nicht in Wittenberg ansässig. So bringt er wohl manches durcheinander. So behauptet er, Luther habe Physik studiert und Tetzel habe die Thesen Luthers verbrannt. Beides stimmt so nicht.
Das wohl stärkste Argument gegen den öffentlichen Aushang der Thesen an den Kirchentüren, der zur theologischen Diskussion einlud, ist Luther selber. In allen von ihm überlieferten Reden, Tischreden und Bon-Mots, ist von solch einem Husarenstück nichts zu lesen. Mit Sicherheit hätte er seine Freude darüber nicht für sich behalten können.
Was ist aber nachweisbar? Luther hat den zuständigen Bischöfen Hieronymus Schulz von Brandenburg und Erzbischof Albrecht von Mainz-Magedeburg seine 95 Thesen zugesandt, um darin seinen Protest auszudrücken. Luther hatte also eher an eine briefliche Diskussion und vielleicht eine öffentliche Veranstaltung gedacht. Doch es kam nichts in Gang.
Erst als einige Wochen später (Dezember 1517) Wittenberger Freunde den Wortlaut der Thesen auf Flugblätter druckten, hallte es durch Stadt und Land. Luther sagte: „Dieselben liefen schier in vierzehn Tagen durch ganz Deutschland, denn alle Welt klagte über den Ablass, sonderlich über Tetzels Artikel“.
Als erster reagiert Tetzel selber, mit 109 polemisch formulierten Gegenthesen. Luther antwortet mit seiner Rede „Sermon von Ablass und Gnade“. Mit 50 weiteren Thesen lässt Tetzel Luther die Eröffnung eines Inquisitionsverfahrens androhen. Am 7. August 1518 erhält der Reformator die Vorladung aus Rom. Die 95 Thesen sind im Vatikan angekommen. Der Kampf beginnt.
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Die „Hammerschläge“ von Wittenberg
Wie sind die berühmten 95 Thesen Luthers gegen den Ablasshandel in Umlauf gekommen?
