Die katholische und die evangelische Dompfarrei in Bautzen sprechen oft mit einer Stimme. Zuletzt verurteilten sie in ihrer gemeinsamen Neujahrsbotschaft auflodernde Fremdenfeindlichkeit in der ostsächsischen Stadt. Die Zusammenarbeit hat Tradition: Bereits vor knapp 500 Jahren, als sich im Zuge der Reformation die Christen – auch nicht immer sehr friedlich – in Protestanten und Katholiken teilten, kam es in Bautzen zu einer ersten Wiederannäherung: Seit 1524 nutzen beide Konfessionen den Sankt-Petri-Dom gemeinsam für ihre Gottesdienste – die damit älteste und größte Simultankirche Deutschlands.
Zwar gibt es bundesweit insgesamt 64 Simultankirchen. Doch die Bautzener war die einzige, bei der das Angebot zur gemeinsamen Nutzung von katholischer Seite kam, wie der Simultankirchen-Experte Heinz Henke weiß. Der damalige katholische Dekan Paul Küchler habe klug gehandelt, als er den Protestanten offiziell vorschlug, sich das Gotteshaus zu teilen. Das war 1530 und die ungewöhnliche „Kirchen-WG“ bereits sechs Jahre gelebte Praxis.
Für Küchler war das eine Art Flucht nach vorn: Die damals 5000 Bewohner der Stadt waren nahezu alle protestantisch geworden. Nur das Domstift widersetzte sich mit 30 Katholiken standhaft der Reformation, wie Heinze erklärt.: „Und die Protestanten hatten den Standpunkt vertreten: Die Kirche ist Teil der Stadt, und ihr seid so wenige, also gehört die Kirche uns.“ Mit seiner Offerte konnte der katholische Dekan somit die protestantische „Übernahme“ des Doms verhindern.
1543 wurde das Ganze nach diversen Querelen schließlich in ausführlichen Verträgen geregelt, im 19. Jahrhundert dann auch im Grundbuch festgehalten: Zwei Drittel der Kirche gehören den Protestanten, ein Drittel den Katholiken. 925 Plätzen stehen den Protestanten zu, 294 den Katholiken. Zudem gibt es nicht nur zwei Eingänge, sondern auch zwei Orgeln, zwei Sakristeien, zwei Altäre und unterschiedliche Kirchenbänke. Sichtbare Trennlinie ist bis heute das Gitter, das den Kirchenraum in evangelischen und katholischen Teil trennt. Noch im 19. Jahrhundert war es 4,50 Meter hoch. Doch in den 1950er Jahren wurde es nach kontroversen Diskussionen gekappt. Kurzzeitig wurde mit Blick auf 2017 erwogen, es ganz zu entfernen. Doch die Kirchenleitungen entschieden sich letztlich dagegen. „Da es ein geschichtliches Zeugnis ist und in seiner niedrigen Form auch nichts Trennendes hat", erläutert der Baupfleger der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, Bernhard Preiß. „Außerdem: Die Leute wollen das Gitter sehen.“
Artikel teilen:
Die größte Kirchen-WG
Schon seit Reformationszeiten teilen sich in Bautzen evangelische und katholische Christen eine Kirche. Der Sankt-Petri-Dom ist die älteste Simultankirche Deutschlands
