Sie ist 900 Kilogramm schwer, aus purem Marmor, hat eine Höhe von 1,70 Metern und reckt mahnend den Zeigefinger in die Höhe: Die rechte Hand der zerstörten 15 Meter hohen Kolossalstatue Kaiser Konstantins des Großen aus dem 4. Jahrhundert gehört neben der antiken Bronzekugel vom vatikanischen Obelisken und dem Marmorkopf eines der Söhne Konstantins derzeit zum „Empfangskomitee“ im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn. Bildgewaltig ist die Sonderschau zur Kultur- und Kunstgeschichte der Ewigen Stadt unter dem Titel „Wunder Roms im Blick des Nordens – Von der Antike bis zur Gegenwart“.
Kolossales und Kostbares vom ‚„Haupt der Welt“
Bestückt mit 200 Exponaten aus den bedeutendsten europäischen Museen und Sammlungen, widmen sich elf Abteilungen im Erzbischöflichen Museum der besonderen Aura von Italiens Hauptstadt. Museumsleiter Christoph Stiegemann und sein Ausstellungsteam schicken dabei die Besucher auf eine anschauliche Zeitreise von der Antike bis zur Gegenwart. „Wir ziehen bewusst einen weiten Bogen, den es bislang noch nicht in einer Sonderschau gegeben hat“, sagt Stiegemann. Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums sehe er die Präsentation als „kleine Begleitmusik zur orchestralen Gesamtschau des Nationalheiligen Luther“.
Die Inspiration zur Ausstellung holte sich der Museumsleiter bei dem durch seine Fotoarbeiten und Rauminstallationen bekannt gewordenen Christoph Brech. Der Münchner Künstler, einst Stipendiat der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo, konnte mit einer Sondergenehmigung mehr als drei Jahre lang in den Vatikanischen Museen fotografieren – auch an Orten, die für Besucher unzugänglich sind. „Für mich war es von Anfang an klar, diese Werke in einen größeren Kontext einzubetten“, berichtete Stiegemann. Sei Rom doch die einzige Metropole, die ihren Untergang ins Positive gedreht habe. Zudem sei die Stadt am Tiber als Zentrum der Christenheit Metapher für ein vereintes Europa.
Spektakuläre Originale reihen sich im Diözesanmuseum aneinander. Nicht nur die kolossalen Skulpturen der Antike bestimmen das Rom-Bild, auch kostbare Schätze wie die Reliquiare aus der päpstlichen Kapelle „Sancta Sanctorum“ am Lateran oder der Pinienzapfen aus der Vorhalle des Aachener Doms zeigen die frühe Bedeutung der Heiligen Stadt als „Haupt der Welt“. Ein Reisebericht des Magister Gregorius über die „Wunder Stadt Rom“ aus dem 13. Jahrhundert gibt ebenfalls Zeugnis von der frühen Würdigung der Antike.
Thematisch folgt die Schau den Pilgern, die in frühen Jahrhunderten außerhalb der Stadt die Märtyrergräber und Heiligen Stätten aufsuchten. Sie spürt dem Enthusiasmus der Humanisten nach, die die römischen Antiken wiederentdeckten, und verdeutlicht die Faszination der Stadt für Künstler, Philosophen und Gelehrte, die Rom seit dem 16. Jahrhundert als Inbegriff des Kunstideals feierten. Herausragende Ausstellungsstücke sind dabei die Studien der Laokoon-Gruppe von Peter Paul Rubens und des Bildhauers Adriaen de Vries sowie William Turners Modellierung des „Torsos von Belvedere“.
Wer sich Zeit nimmt, entdeckt wunderbare Geschichten. Zum Beispiel jene von Johann Wolfgang von Goethe, der sich während seiner Italien-Reise um 1780 von einer griechischen Marmor-Nymphe aus dem 1. Jahrhundert verzaubern ließ. Der Dichterfürst setzte alles daran, die Statue mit der von ihm gerühmten „lieblich bewegten Gestalt“ zu erwerben – ohne Erfolg. „Mit Tränen musste Goethe das Kunstwerk in den Vatikanischen Museen zurücklassen“, berichtet Stiegemann. Für fünf Monate sorgt die „Ballerina di Goethe“ nun in Paderborn für Hingucker.
Finale mit zeitgenössischer Foto- und Videokunst
Den Abschluss der großen Themenschau, die am 13. August endet, bildet der zeitgenössische Blick auf Rom von Christoph Brech. In 40 Foto- und Videoarbeiten zeigt der Künstler eine detailreiche und auch kritische Perspektive auf die Ewige Stadt, verbindet gekonnt das heutige Chaos mit dem Strom der Touristenmassen und dem liegen gebliebenen Müll mit den architektonischen Kunstschätzen, an denen Rom so reich ist.
Entsprechend begeistert zeigte sich Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bei der Eröffnung. Die „spektakuläre Schau“ offenbare eindrucksvoll die Wirkmacht der Antike in der abendländischen Kunstentwicklung bis in die Gegenwart, lobte Grütters. Die Schätze aus Rom machten Paderborn in den kommenden Monaten „zu einem wahren Mekka für Kunstliebhaber“.
Das Diözesanmuseum Paderborn ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, jeden ersten Mittwoch im Monat bis 20 Uhr. Zur Sonderschau wird ein Begleitprogramm unter dem Titel „Estate Romana – römischer Sommer“ angeboten. Internet; www.wunder-roms.de; www.dioezesanmuseum-paderborn.de.