Die beiden Korintherbriefe bilden sogar den größten Teil der Paulus-Schriften im NT. Mit keiner anderen Gemeinde hat Paulus so oft und so umfangreich korrespondiert. Wobei noch nicht einmal alle Briefe erhalten sind! In 1. Korinther 5,9 findet man den Hinweis, dass schon ein Brief vor diesem „ersten“ geschrieben wurde, in dem vor allem die Unzucht oder Unsittlichkeit das Thema war. Außerdem wird aus 2. Korinther 2,3f.9 sowie 7,8-12 erkennbar, dass es einen Zwischenbrief gegeben hat, der „unter Tränen“ geschrieben wurde und der einen schwerwiegenden Zwischenfall aufgearbeitet hat, welcher sich offenbar zuvor beim zweiten Apostelbesuch ereignete. Das wären also insgesamt vier Briefe, von denen da die Rede ist, und das heißt natürlich auch, dass es sich um eine besondere Gemeinde handeln muss, eine von zentraler Wichtigkeit, und dass sich hier auch eine Fülle von beispielhaften Problemen und Fragen angesammelt hat, die ausführlich behandelt werden mussten, damit von Korinth aus nicht falsche Signale und Einflüsse auf andere Gemeinden ausgingen. Das ist anders als vergleichsweise etwa beim Galaterbrief, wo es im Grunde um einen einzigen Problembereich ging.
Auf der Landkarte wird schnell klar, welche strategische Lage Korinth hat. Die Landbrücke am Isthmos war der Umschlagplatz für den Ost-Westhandel. Dazu kam die Nord-Süd-Brückenlage zwischen Achaia (Zentralgriechenland) und dem Peloponnes, die diesen Ort zu einem zentralen Umschlagplatz für Güter und auch für Ideen machte. Von Korinth wissen wir, dass die griechische Siedlung um 146 v.Chr. gründlich von den Römern zerstört wurde, um dann von Julius Caesar als eine Colonia Romana neu gegründet zu werden, die mit alten Landsern aus den Legionen, aber auch mit freigelassenen Sklaven besiedelt wurde. Das hat aber nicht verhindert, dass eine so internationale Stadt mit praktisch zwei Häfen auch eine entsprechende Bevölkerungsvielfalt entwickelte, was ihr allerdings nicht den besten Ruf einbrachte – wobei die gewiss vorhandenen Vergnügungsviertel nicht den Blick dafür verstellen dürfen, dass nur eine solide Bürgerschaft das Funktionieren einer solchen Welthandelsstadt gewährleisten kann.
Als Kultur- und Bildungszentrum galt Korinth jedoch eher nicht. Zum Studieren schickten die Griechen ihre Söhne nach Athen, die Juden ihre nach Jerusalem, und die Römer wussten selbstverständlich, dass nur am Tiber die Weichen für spätere Karrieren gestellt wurden. Auch für das Christentum ist Korinth nie Orientierungspunkt wie Rom oder Alexandria oder Byzanz geworden, sondern „Umschlagplatz“ geblieben.