Die Passionszeit hat begonnen, und es geht weiter im Markusjahr. Jesus zieht in Jerusalem ein! Und so bizarr sich die Schilderung auch lesen mag, es ist der Einzug eines Königs – oder eines gottgleichen Pharaos. Die furchtbare Spannung, unter der die Passion Jesu steht, liegt darin, dass in demselben Maße wie das Kreuz näher rückt, klar wird: Dies ist zwar in Wahrheit der König aller Könige, aber seine Hoheit besteht im Leiden, ja sogar im elenden, rechtlosen und rechtswidrigen Sterben. Dieses ist das Geheimnis der Königsherrschaft Jesu. Denn alles, was hier völlig öffentlich geschieht, bleibt zugleich den Herzen vieler Menschen, vor allem im Volke Israel, verborgen. Deswegen liest man traditionell auch die Heilung des Blinden von Jericho (10,46) als Auftakt der Passionsgeschichte, weil der auf die entscheidende Frage Jesu „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ den Schlüsselsatz sagt: „Rabbuni, dass ich sehend werde!“
Die Blindheit und Ignoranz des alten Gottesvolkes und seiner frommen Führer gegen diesen Weg Gottes durch das Leid führt zu der fürchterlichen Notwendigkeit, die im Kreuz auf Golgatha ihren entsetzlichen Höhepunkt findet: Es muss so geschehen! Musste es?
Die Fronten klären sich nun mehr und mehr. Der verdorrte Feigenbaum und die Tempelreinigung sind offene Kampfansagen an diejenigen, die in ihrer Aufgabe versagt haben. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten begreifen das auch sofort und stellen nicht umsonst die Frage nach Jesu Vollmacht (11,27f.). Aber der Befragte dreht den Spieß um und nagelt die Fragenden in ihrer eigenen Heuchelei fest.
Die Grenzen klären sich in den Streitgesprächen des zwölften Kapitels immer weiter. Bei dem Gleichnis von den bösen Weingärtnern war den Betroffenen und überhaupt allen sofort klar, dass sie selbst das Ziel waren. Für den späteren Leser besteht aber dadurch Gefahr zu meinen, nur die Zeitgenossen Jesu seien angesprochen gewesen. Im Schicksal des ersten Gottesvolkes kristallisiert sich jedoch schon damals nur der Zustand der gesamten Menschheit heraus.
Markus hat die Botschaft Jesu aufgeschrieben, damit auch später lebende Generationen nicht in der Vergangenheit die Sündenböcke für „die zerbrochene Schöpfung“ und die „Ent-Menschlichung“ suchen, sondern sich selbst als die von Gott angefragten, von Gott gesuchten, von Gott erreichten Adressaten erkennen und dann die neue Chance zum Menschsein ergreifen: Hilf, dass ich sehend werde!
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Woche vom 14. bis 20. Februar Sonntag: Psalm 91 Montag: Markus 11,1-11 Dienstag: Markus 11,12-25 Mittwoch: Markus 11,27-33 Donnerstag: Markus 12,1-12 Freitag: Markus 12,13-17 Samstag: Markus 12,18-27