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Die Bibel lesen

Woche vom 6. bis 12. März

Sonntag:    Psalm 9
Montag:     Johannes 11, 46-57
Dienstag:     Johannes 12, 1-11
Mittwoch:     Johannes 12, 12-19
Donnerstag:     Johannes 12, 20-26
Freitag:     Johannes 12, 27-33
Samstag:     Johannes 12, 34-36

Der Höhepunkt ist überschritten. Die Handlung des Dramas kippt. Aristoteles hätte mit Blick auf die Szenenfolge Johannes 11,46 bis 12,36 von einer Peripetie, einem plötzlichen Umschlagen, gesprochen: Eben noch hat Jesus sein letztes und größtes Zeichen gewirkt, die Auferweckung des Lazarus von den Toten zu den Lebenden. Doch der zu erwartende Jubel und ein vertieftes Vertrauen bleiben bei der breiten Masse aus. Man kann den Kipppunkt genau dingfest machen: „Viele von den Judäern, die zu Maria gekommen waren und sahen, was er tat, setzten Vertrauen in ihn. Einige aber von ihnen gingen weg zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus tat.“ (11,45-46).

Es folgen ein tragischer Beschluss und Abschiedsszenen: Der Hohe Rat in Jerusalem versammelt sich und kommt zu dem Entschluss, Jesus zu töten. Nicht aus Eifersucht oder Machtgier, sondern aus Furcht vor einem religiös motivierten Aufruhr und aus Angst vor der römischen Reaktion (11,47-53). Jesus sieht sich genötigt zu fliehen, kehrt aber zum Pessachfest in die Gegend von Jerusalem zurück (11,53-12,1).

Die Szenen, die sich dort abspielen, werden vom drohenden Tod Jesu überschattet und bleiben mehrdeutig: Jesus feiert ein Mahl mit seinen Freunden Lazarus, Marta und Maria (12,2), doch wird nicht klar, ob es sich um ein Fest- oder ein Abschiedsmahl handelt. Im Verlauf der Mahlszene wird Jesus von Maria gesalbt (12,3-8), offen bleibt, ob zu seiner Krönung oder zu seinem Begräbnis. Die Machthaber in Jerusalem erfahren davon und beschließen, auch Lazarus zu töten (12,9-11). Auch die Zeugen sollen beseitigt werden.

Kurz danach zieht Jesus mit viel Aufmerksamkeit in Jerusalem ein (12,12-18) – ein Triumph oder ein Leichenzug? Schließlich kündigt Jesus, scheinbar wie ein König, seine Verherrlichung an (12,23). Doch er verbindet seine Herrlichkeit mit seinem Sterben. Johannes 12,27-28 liest sich wie eine Anspielung auf die Gethsemane-Szene in den Synoptikern. Doch der johanneische Jesus ist zwar emotional, aber niemals schwankend in seiner Bestimmung und seiner Hingabe für die Seinen.

Die Szenenfolge endet, wie sie begonnen hat (12,35-37): „Da sagte Jesus zu ihnen: Noch eine kleine Zeitspanne ist das Licht unter euch. Geht umher, solange ihr das Licht habt, damit nicht Finsternis euch ergreift. Und wer in der Finsternis umhergeht, weiß nicht, wohin es ihn führt. Solange ihr das Licht habt, setzt Vertrauen in das Licht, damit ihr Söhne des Lichts werdet. Dies sagte Jesus, ging weg und verbarg sich vor ihnen. Obwohl er solche Zeichen vor ihnen getan hatte, setzten sie kein Vertrauen in ihn“.

Dr. Michael Rydryck ist Referent für Studium und Lehre sowie Dozent für Neues Testament und Religionswissenschaft am Fachbereich Evangelische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main.