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Die Bibel lesen

Woche vom 28. Februar bis 6. März

Sonntag:    Psalm 25
Montag:     Lukas 11, 29-32
Dienstag:     Lukas 11, 33-36
Mittwoch:     Lukas 11, 37-54
Donnerstag:     Lukas 18, 31-43
Freitag:     Lukas 19, 1-10
Samstag:     Lukas 19, 11-27

Jesus befindet sich seit 9,51 auf seinem langen, beschwerlichen und konfliktreichen Weg nach Jerusalem. Die Episoden, die zwischen 9,51 und 18,35 erzählt werden, haben zugleich einen exemplarischen und einen vorbereitenden Charakter. Sie bieten teils lose verknüpfte, teils stichwortartig, teils thematisch verbundene Beispiele davon, was Jesus tut, denkt, lehrt.

Der Abschnitt 11,14-54 ist durch das Stichwort der Bosheit verknüpft. In Vers 26 sind es böse Geister, in 29 die böse Generation, in 34 das böse Auge, in 39 die Bosheit der Pharisäer, und die Schriftgelehrten werden in 47 gar als Kinder von Mördern gebrandmarkt. Das griechische Wort, das hier immer wieder auftaucht, heißt ponerós, das man auch mit „boshaft, schlecht, niederträchtig, schändlich, hässlich“ wiedergeben kann. Nein, sympathisch, freundlich und liebenswürdig wird Jesus hier nicht gezeichnet, sondern kampfbereit, aggressiv, unerbittlich, weshalb dieser Abschnitt auch in fast allen Kinderbibeln ausgelassen wird. Gänzlich undifferenziert redet Jesus von Bosheit der ganzen Generation, von allen Pharisäern und allen Schriftgelehrten. So macht man sich Feinde – siehe 11,53f..

Wir können heute nicht außer Acht lassen, wie sehr solche Texte zu Antisemitismus und Judenhass beigetragen haben. Weite Teile der christlichen Auslegungsgeschichte haben damit selbst schlecht, niederträchtig und boshaft gewirkt. „Pharisäer“ wurde zu einem Inbegriff für Heuchelei. So können wir nicht weiter Bibel tradieren. Wir müssen uns bewusst werden, welches Gewaltpotenzial in den Texten steckt. Wir können sie aber auch nicht schönreden, glätten oder gar ignorieren. Wir lernen von ihnen, dass biblische Texte in Konfliktsituationen geschrieben wurden, diese bearbeiten und ganz positionell Stellung beziehen.

Ein verantwortlicher Weg, mit solchen Texten umzugehen, könnte ein Blick auf die Konflikte der damaligen Gesellschaftsstruktur sein. Pharisäer waren solche, die auch das Alltagsleben heiligen wollten und daher mehr reglementierten, als es die heiligen Schriften Israels verlangen. Schriftgelehrte waren weniger Theologen in unserem Sinn, sondern eher Rechtsgelehrte, die die Schrift als Grundlage rechtlicher Regelungen für das gesellschaftliche Zusammenleben auslegten. Aber was treibt Jesus in der Darstellung des Lukasevangeliums dermaßen zur Weißglut, dass er sie als boshaft bezeichnet und mit ihnen dann sogar die ganze Generation? Es geht um den Mangel an Mitgefühl und Barmherzigkeit, um die fehlende Bereitschaft umzudenken und in den Vordergrund zu stellen, was Menschen wirklich brauchen: Empathie, auf einander achtgeben, Gerechtigkeit gerade auch bezüglich der Verteilung materieller Güter, weil Gottes Schöpfungsgaben nicht nur Reichen und Aberwitzigreichen gehören.

Würde Jesus, wie Lukas ihn zeichnet, nicht genauso empört über unsere Frommen, über unsere Rechtspraktiken urteilen? Was für eine Generation sind wir?