Der Jakobusbrief ist vermutlich um das Jahr 100 wohl in Syrien geschrieben worden, wobei klar ist, dass der Herrenbruder Jakobus bereits im Jahre 62 hingerichtet wurde! Eine christliche Leserschaft konnte noch angeredet werden: An die zwölf Stämme (Israels) in der Zerstreuung (Diaspora). Das bedeutet, dass der Brief allgemeingültig sein könnte, nicht auf eine bestimmte Gruppe oder Gemeinde abzielt. Bemerkenswert ist das „Diaspora-Gefühl“ der frühen Christen. Wo immer sie leben, waren sie in der Minderheit. Sie haben in der Welt ihren Platz, aber nicht ihr Zuhause. Offenbar gibt es aber schon feste Strukturen, die das Gemeindeleben regeln. Es gibt Arme und Wohlhabende, aber die Armen werden bereits einigermaßen systematisch unterstützt. Es gibt Lehrer, Prädikanten, Katecheten und solche, die für Leitungsaufgaben zuständig sind. Die Phase, in welcher die Naherwartung das Leben prägte, geht zu Ende, ist aber noch bewusst. Jetzt wird erkannt, dass es zum Zusammenleben auch feste Rituale, klare „Spielregeln“ und dauerhafte Ordnungen braucht und dass die Einzelnen ganz bestimmte Tugenden für dieses Miteinander erlernen und immer wieder verwirklichen müssen. Hier muss man sich noch einmal vergegenwärtigen, dass in der christlichen Gemeinde nicht nur eine soziale, gesellschaftliche Schicht zusammenfand, sondern meistens alle „bunt gewürfelt miteinander“ waren. Es gab Juden und Griechen (damals ein Sammelwort für Fremde überhaupt), Leute mit allen Freiheitsrechten und sogar dem römischen Bürgerrecht, aber eben auch die Sklaven. Deswegen war es wichtig, klarzustellen: In der Gemeinde gilt kein Ansehen der Person! (2, 1ff.)
Das griechische Wort „paränese“, üblicherweise mit Ermahnung übersetzt, klingt im Deutschen streng. Der Jakobusbrief will jedoch aufbauen, erste Erfahrungen des Christseins festhalten und weitergeben. Deswegen ist er typisch für eine Zeit, die sich nicht mehr im ersten Aufbruch befindet, sondern planen und Fundamente legen muss, auch Irrtümer korrigieren wird und Zweifel und Verzweiflung kennt. Zu den Eigenschaften, die dabei nötig sind, gehört zuvorderst die Geduld.
Viele Merkworte haben bis heute ihre volle Gültigkeit. Wenn Christus mit seiner Wiederkehr zögert, muss Gemeinde sich in dieser Welt zurechtfinden. Sie muss weitsichtig denken und sinnvoll mit der Zeit umgehen. Während viele schon den Kalender für 2016 einrichten, gilt der Satz: Wir dürfen und sollen zwar vorausschauen, um die begrenzte Zeit wirklich auszukaufen und zu nutzen, aber das darf nie geschehen, ohne die Grundbedingung, die „conditio Jacobeä“, zu beachten: „…so Gott will und wir leben!“(4, 16)
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Woche vom 8. bis 14. November Sonntag: Psalm 112 Montag: Jakobus 2,1-13 Dienstag: Jakobus 2,14-26 Mittwoch: Jakobus 3,1-12 Donnerstag: Jakobus 3,13-18 Freitag: Jakobus 4,1-12 Samstag: Jakobus 4,13–5,6