Die Verkündigung des Ezechiel ist voller Bilder und Gleichnisse und Symbolhandlungen. Kaum ein Satz ist nicht bildhaft. Das macht die Lektüre schwer und ist ganz anders als kürzlich das Buch Numeri mit seinen Aufzählungen, Ordnungen und Listen. Jemand hat einmal gesagt, er vergleiche diesen Propheten oftmals mit dem Maler Marc Chagall. Dessen Kunstwerke entfalten auch eine grandiose Bilderwelt, die man lange betrachten muss und mitunter auch auf verschiedene Weise entschlüsseln kann.
Allerdings wird jeder Prophet daran gemessen, ob er Recht behält, also ob er den überkommenen Gottesbund richtig erläutert hat, was vor allem bedeutet: Das Alte richtig für die Gegenwart gedeutet hat. Denn ein Prophet verkündet grundsätzlich nichts Neues, sondern wendet nur das Alte, also Gottes bestehenden Bund, in der Gegenwart an. Propheten sind darum keine Voraussager, sondern sie wagen die Anwendung des Alten in die aktuelle Situation einer Zeit hinein!
Der Stil des Ezechielbuches ist im Hebräischen ausgesprochen korrekt in Ausdruck und Grammatik. Das lässt darauf schließen, dass die Worte, die wahrlich nicht am Schreibtisch ausgedacht wurden, später gesammelt und geordnet worden sind. In prophetischer Sendung weisen die Worte auf Jahwes unbedingte Macht, und in allen Turbulenzen der Zeit bleibt sein Wille klar und einlinig – gewiss mit allen Hoffnungen, aber auch vor allem mit allen harten Konsequenzen.
In den Kapiteln 1-11 sind Reden gegen den Staat Juda und vor allem gegen seine Hauptstadt Jerusalem zu lesen. Den Auftakt bildet allerdings in den ersten drei Kapiteln die Berufung des Propheten. Wobei nicht ganz klar ist, ob es sich dabei um ein einziges Geschehen handelt oder um zwei, nämlich eins in Jerusalem(2,8ff.)) und das andere im babylonischen Exil(1,4ff.). Menschliche Sprache kann nur andeuten, was geschieht, wenn sich der „kabod“, der Lichtglanz Gottes nähert. Gott ist der Erhabene, aber nicht der Schweigsame, vielmehr handelt und redet er!
Ezechiel wird zum Wächter über das Haus Israel bestimmt und für harte Botschaft selbst hart gemacht. Die ganze Geschichte Israels wird als eine schleichende Entheiligung angeprangert. Nun wird das Ende von Staat und Stadt angekündigt (7). Gott erscheint nicht als derjenige, der für die Menschen unverständlich handelt, nein, sein Handeln ist die klare, zwangsläufige Konsequenz aus dem, was die Menschen aus seinem Bund gemacht haben. Damit kann Jahwe kein Erbarmen haben, und er wird es auch nicht.