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Diakonie will Missbrauchs-Aufarbeitung in Willmars strukturieren

Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle durch mindestens einen Diakon und einen evangelischen Gemeindepfarrer im unterfränkischen Willmars in der Rhön soll ab nächstem Jahr strukturiert und institutionalisiert werden. Wie ein Sprecher der Diakonie Bayern dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mitteilte, soll dafür zunächst ein Beirat gebildet werden. Der Beirat soll die Anforderungen an den Aufarbeitungsprozess klar definieren und anschließend eine externe Expertin oder einen externen Experten für die eigentliche Aufarbeitungsarbeit beauftragen. Die Diakonie rechnet mit weiteren Betroffenen.

Im Diakonie-Kinderheim Nicol-Haus in Willmars sowie im evangelischen Pfarrhaus des Ortes soll es vor allem in den 1960er Jahren zu massiven Misshandlungen und sexuellen Übergriffen gegen mindestens vier Kinder gekommen sein. Der evangelische Pfarrer Klaus Spyra hatte als Heimkind Missbrauch durch den damaligen Heimleiter, einen Diakon der Diakonen-Bruderschaft des Stephansstift Hannover, erlebt. Nachdem er die Taten 2015 gemeldet hatte, wurden ihm auch Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids zugesprochen. Nach und nach meldeten sich infolge von journalistischen Recherchen bislang drei weitere Betroffene.

Diese drei weiteren Betroffenen haben allesamt auch Missbrauchsvorwürfe gegen den Pfarrer erhoben. Das wiederum hat teils zu heftigen Reaktionen in Willmars geführt, weil der inzwischen verstorbene Dorfpfarrer im Ort bis heute einen guten Ruf haben soll. Bei genauerer Betrachtung allerdings wird klar: Vor allem ehemalige Honoratioren verteidigen den Pfarrer. Den Berichten der Betroffenen zufolge soll der Pfarrer seine brutale und sadistische Ader in Einzelgesprächen in seinem Büro im Pfarrhaus ausgelebt haben. Sie werfen der Pfarrfrau und auch den Beschäftigten im Kinderheim vor, von den Taten gewusst und geschwiegen zu haben.

Die Sprecherin der bayerischen Landeskirche, Christine Büttner, teilte auf epd-Anfrage mit, die Personalakte des Pfarrers liege im Münchner Landeskirchenamt vor und sei bereits gesichtet worden. Sie soll in dem nun angestoßenen Aufarbeitungsprozess den externen Wissenschaftlern vorgelegt und von diesen ausgewertet werden. Weitere Vorwürfe gegen den Mann aus seinen anderen Einsatzorten Grafenau oder Schweinfurt seien nicht bekannt. An den aktuellen Aufarbeitungsgesprächen in Willmars – initiiert vom dortigen Diakonie-Verein als Heimträger – nehme die Leiterin der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt teil.
(00/3892/09.12.2024)