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Diakonie Stetten: Die Reittherapie begann vor 50 Jahren im Kuhstall

Vor 50 Jahren begann Gustl Pflugfelder die Reittherapie der Diakonie Stetten – mit sechs Pferden und in einem 300 Quadratmeter großen Kuhstall auf dem Schlossberg. Seither habe sich das Therapeutische Reiten immer weiter professionalisiert, teilte die Diakonie Stetten am Montag in Kernen-Stetten (Rems-Murr-Kreis) mit. Am Samstag (27. Juli) ab 16 Uhr feiere der Pferdehof der Remstal Werkstätten sein 50-jähriges Bestehen mit einem Hoffest mit der Band „carlstone“.

Pflugfelder dachte 1974 schon weiter und legte dem damaligen Anstaltsleiter Peter Schlaich ein Konzept für den Ausbau des Angebots vor. Er empfahl zweimal pro Woche für jeden Patienten eine 15-minütige Therapie. Dafür brauche es einen zum Reittherapeuten ausgebildeten Mitarbeiter, einen Heilpädagogen, geschulte Menschen mit Behinderungen oder Mitarbeiterkinder als Hilfspersonen und eine weitere Person für die Betreuung und Pflege der Tiere.

Die Diakonie Stetten wagte den Schritt. Dieter Ludwig, der erste Leiter der Reittherapie, prägte diese und entwickelte sie in jahrzehntelanger Arbeit weiter. Heute betreut der Pferdehof am Schlossberg rund 70 Klientinnen und Klienten von 4 bis 80 Jahren. Ob zum Muskelaufbau oder bei Autismus, von der Reittherapie profitieren Menschen mit ganz unterschiedlichen geistigen und körperlichen Behinderungen. Viele leben in Einrichtungen der Diakonie Stetten, andere kommen von außerhalb, etwa Kinder, die bei ihren Familien leben.

Mehrere Ehrenamtliche helfen regelmäßig bei den anfallenden Arbeiten auf dem Hof. „Wenn man das Tor hier hinter sich schließt, kommt man in eine eigene Welt“, sagt die Hippotherapeutin Maren Gehrmann. „Es riecht hier anders als bei anderen Therapieangeboten und jeder kann überall mitanpacken.“ Es sei wie eine große Familie, die trotzdem offen sei für alle. „Am Anfang wurde viel ausprobiert, aber im Laufe der Jahre hat sich das Therapeutische Reiten professionalisiert.“ Ein Therapiepferd müsse ausgebildet werden, es müsse eher ruhig und Menschen gegenüber aufgeschlossen sein.

Gehrmann und ihre Kollegin Mariann Clemenz beobachten bei ihren Klienten vielfältige Verbesserungen. Für viele sei es ein ganz besonderes Gefühl, auf dem Pferd mit anderen auf Augenhöhe zu sein und von ihrer Umgebung anders wahrgenommen zu werden als im Alltag. „Die gleichförmigen Bewegungen der Pferde beruhigen und trainieren die Muskulatur“, erklärt Clemenz. Anfangs mussten die Mitarbeiter die Klienten selbst aufs Pferd hieven, inzwischen gibt es moderne Lifter, mit denen sie auch wieder sanft in den Rollstuhl gesetzt werden können. Es gibt auch eine Rampe. Als der Fortbestand des Pferdehofs wegen der hohen Kosten bedroht war, wurde vor zweieinhalb Jahren ein Förderverein gegründet.

Die Mitarbeiter nehmen regelmäßig an Fortbildungen beim Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten teil, sie pflegen Kontakte zu anderen Reitställen. Viele Reitställe bieten Reittherapie an. „Aber so wie wir es anbieten, für Menschen mit schweren und Mehrfachbehinderungen, gibt es in unserer Region nicht allzu viele Möglichkeiten“, sagt Clemenz.

Die im Jahr 1849 gegründete Diakonie Stetten gehört mit rund 4.000 Mitarbeitern zu den großen Trägern sozialer Dienstleistungen in Baden-Württemberg. (1654/22.07.2024)