Das gab es noch nie: Weihnachten ohne Gottesdienste. Zumindest ohne solche, bei denen die Menschen in der gewohnten Form in die Kirche gehen, (zu alternativen Formen siehe weiter unten). Bis 10. Januar, mindestens. Technisch gesehen handelt es sich bei der Entscheidung der Kirchenleitungen zwar nicht um ein Verbot, sondern um eine dringende Empfehlung. Aber die Signalwirkung ist gewaltig.
Neben großer Zustimmung für diesen beispiellosen Schritt und Erleichterung („Frage von Vernunft und Verantwortung“, „schwierige Entscheidung wurde uns abgenommen“) gab es auch Widerspruch und Enttäuschung. Dieser Schritt sei nicht nötig gewesen, heißt es. Monatelange Planungen und ausgefeilte Hygienekonzepte hätten durchaus die Möglichkeit gelassen, den Gemeinden die Entscheidung ohne Vorgabe zu überlassen.
Aufmerken lässt der Ton, in dem manche Kritik daherkommt. Vom Verrat an der biblischen Botschaft ist die Rede. Mangelndem Vertrauen in Gottes Beistand. Dass die Kirche sich vor dem Auftrag drücke, den Menschen Kraft und Hoffnung zu geben.
Ausgerechnet um das Fest der Liebe wird gestritten, dass die Fetzen fliegen. Wollen wir so in das neue Jahr gehen?
Der Ton macht die Musik. Nicht nur im Sinne von: ob eine Unterhaltung schön oder weniger schön wird. Die Sache verhält sich viel grundsätzlicher: Der Ton entscheidet, ob sich Türen öffnen oder verschließen. Dauerhaft. Manchmal lebenslang. Da mag man noch so gute Argumente haben.
Menschen mögen zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Das geht kaum anders, wenn es um schwierige Entscheidungen geht. Und vielleicht ist es am Ende so, wie Gesundheitsminister Jens Spahn prophezeit: Wir werden einander viel zu verzeihen haben. In einer Situation wie Corona wird den Entscheiderinnen und Entscheidern viel abverlangt. Respekt. Egal, was sie tun – sie werden es nicht allen recht machen können.
Es werden auch Fehler passieren. Aber man darf doch davon ausgehen, dass alle ihre Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen tätigen. Da sollte kein Platz sein für ehrabschneidende Bezeichnungen wie Versagen, Inkompetenz oder Verrat am Evangelium. Kritik? Ja. Schäumen vor Zorn? Bitte nicht.
Vielleicht hilft dieser Gedanke: Weihnachten wird nicht abgesagt; wir begehen es anders als sonst. Wenn wir Gottesdienst feiern – warum sitzen wir nicht mal eine Stunde vor dem Fernseher? Beim „Tatort“ oder „Dinner for one“ tun wir das auch. Radio, TV, Internet – an vielen Stellen gibt es Andachten und Gottesdienste. Auch eine Andacht zuhause ist möglich; so, wie es Generationen vor uns gehalten haben.
Wie wollen wir miteinander umgehen? Darauf sich selbst ehrlich eine Antwort zu geben, ist nicht das Schlechteste. Zumal zum Wechsel auf ein Jahr, von dem wir hoffen, dass es mit weniger Sorgen und mehr Freude daherkommen möge, als das, was jetzt zu Ende geht.