Er schafft es. Er schafft es immer wieder. Es dauert nur wenige Minuten. Ach was: nur Sekunden, dann hängt man an seinen Lippen und lässt sich in ferne Welten entführen. Thomas Hoffmeister-Höfener ist etwas, was es heute eigentlich gar nicht mehr gibt: Er ist Geschichtenerzähler, professioneller Geschichtenerzähler. Also einer, der mit dem Garn, das er vor Publikum spinnt, sein Geld verdient.
Alles begann mit dem „Theomobil“
Und das ist verrückt genug. Denn es ist schon erstaunlich, dass so etwas in einer Zeit funktioniert, wo die meisten Menschen durch ein einfaches Wischen mit ihrem Daumen über die Oberfläche ihres Smartphones in andere Sphären abzutauchen pflegen. Angefangen hat das alles vor 20 Jahren. Da ist der Diplom-Theologe gemeinsam mit ein paar Kolleginnen und Kollegen mit dem „Theomobil“ erstmals auf Tour gegangen. „Wir wollten mit unserer Vorstellung von religions- und kulturpädagogischer Arbeit auf Achse gehen. Wir wollten mobil sein und zu den Menschen verschiedener Generationen kommen. Schon da habe ich gemerkt, dass mir das Erzählen liegt. Alle waren immer total still und haben aufmerksam zugehört“, blickt er auf die Anfänge zurück. Das innovative Konzept ist aufgegangen; noch heute rollt das Theomobil quer durch die Republik: „Wir sind sehr stark in kirchlichen Strukturen unterwegs: Kindergärten, Schulen, Kirchengemeinden.“
2003 dann der nächste Schritt. Da hat sich Thomas Hoffmeister-Höfener als Geschichtenerzähler selbstständig gemacht. In der Akademie in Remscheid hat er sich das nötige Rüstzeug und die Professionalität geholt, die es braucht, um Menschen mit Geschichten zu begeistern: „Dort hat sich für mich die Tür zu einer völlig neuen Welt geöffnet. Das war total spannend.“ Vor allem hat der in Albersloh bei Münster lebende Familienvater – verheiratet ist er übrigens mit einer Pfarrerstochter – in Remscheid eines gelernt: Als Geschichtenerzähler ist man niemals fertig, man lernt immer weiter und immer wieder neu hinzu. „Auch deshalb“, sagt Hoffmeister-Höfener, „ist das so ein toller Beruf. Immer wieder mache ich neue Erfahrungen.“
So wie zum Beispiel im Pfarrhaus von Sendenhorst. Die Kolpingfamilie ist hier an einem sonnigen Frühlingstag zusammengekommen. Bevor der Erzähler mit seinem Requisitenkoffer „die Bühne“ für sich hat, sind erst einmal Kaffee und Kuchen angesagt. Dann aber geht es los. Fast vierzig Männer und Frauen sind gekommen. Ein dankbares Publikum, alle jenseits des Renteneintrittsalters. Die meisten von ihnen sind selber noch mit Geschichten groß geworden, haben später dann ihren Kindern vorgelesen und halten heute die Enkelkinder hin und wieder mit Erzählungen bei Laune.
Thomas Hoffmeister-Höfener kommt ziemlich schnell auf Betriebs-temperatur, zaubert eine Requisite nach der anderen aus dem offenbar weitgereisten Koffer und begeistert mit seiner Art, die Zuhörer zu fesseln. Schon sein Äußeres signalisiert dem Publikum: Jetzt kommt etwas, das wir vielleicht so nicht erwartet haben. Die runde Brille, hinter der die Augen ebenso listig wie lustig funkeln, die Haare stehen ein wenig wirr und offenbar unzensiert in sämtliche Himmelsrichtungen – irgendwie erinnert er an einen zerstreuten Professor.
Aber entscheidend sind natürlich Stimme und Gestik. „Die Melodie der Sprache und der Stimme sind das A&O. Die Stimme und mein Körper sind mein Instrument“, weiß der Profi und bespielt daher die komplette Stimm-Klaviatur: Mal flüstert er nur, dann wird er wieder lauter, spricht langsam und bedächtig, doch schon im nächsten Moment reiht er die Wörter rasant galoppierend aneinander, um dem so Gesagten gestenreich eine unwahrscheinliche Dynamik und Geschwindigkeit zu verleihen.
Am besten funktioniert das im Erzählzelt, das eigens für die Auftritte, Seminare und Workshops angeschafft worden ist. Darin haben bis zu 100 Menschen Platz: „Das Zelt ist ein idealer Ort, um zusammenzukommen; man steigt direkt ein in diese wunderbare Welt. Vor allem Kindern hilft es. Das Zelt gibt meinen Geschichten den nötigen Raum.“
Mindestens ebenso wichtig wie Stimme, Gestik und die richtige Umgebung ist aber die Auswahl der Geschichten. Hoffmeister-Höfener hat dabei ein auf den ersten Blick recht einfaches Rezept: „Die Geschichte muss zu mir passen; ich muss hinter dem Erzählten stehen können, sonst verliert die Geschichte ihren Zauber und ich kann sie nicht erzählen. Die richtige Geschichte zu finden, ist nicht einfach. Wenn sie zufällig vorbeikommt, muss man sie festhalten.“
Inzwischen hat er ein unglaubliches Repertoire, mit dem sich ganze Bücherregale füllen lassen. So kann er in jeder Veranstaltung individuell reagieren: „Etwas, was bei Kindern funktioniert, kommt bei Erwachsenen möglicherweise nicht an. Und umgekehrt ist es oft genauso.“ Deshalb legt er sich den Programmablauf vor jedem Auftritt grob zurecht, ist aber stets bereit zu improvisieren und vom angedachten Konzept abzuweichen: „Beim Erzählen arbeiten wir ja ganz stark mit Bildern. Sie sind dafür verantwortlich, dass bei den Zuhörern das Kopfkino funktioniert. Ich gucke deshalb die ganze Zeit in die Augen meiner Zuhörer und kontrolliere, ob ich sie erreiche.“
Im Mittelpunkt stehen dabei immer wieder biblische Geschichten. Da nimmt er sich die Freiheit raus, diese mit seinen eigenen Worten zu erzählen: „Die Bibel ist ein unendlich reicher Geschichtenschatz.“ Allerdings sei das auch ein besonders sensibles Terrain: „Die Erzählungen in der Bibel bedeuten den meisten ja viel. Es sind oft Geschichten, die von Leben und Tod handeln. Da muss man sich inhaltlich schon an die Vorgaben halten und sich dabei eng an der Bibel orientieren, sonst fliegt einem das um die Ohren. Und trotzdem bleibt immer noch genügend Raum für meine eigene Phantasie.“