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Der Kern der Demokratie

Zeit, Energie, Nerven: Wer im Kirchenvorstand mitarbeitet, leistet gewissermaßen ein Opfer. Das ist vorbildlich. Denn nur wer Verantwortung übernimmt, verdient sich die Demokratie

„Nicht meckern, selber machen!“ In diesem einen Satz steckt die ganze Wahrheit der Demokratie. Eine Frau hat ihn neulich gesagt, als sich ihr Mann darüber aufregte, was in der Kirchengemeinde schiefläuft.

Aufregen ist erlaubt. Und zu meckern gibt es genug. Das ist nun mal so, wenn Menschen miteinander auskommen müssen. Auch in der Kirchengemeinde.

Aber: Wer im Meckern stecken bleibt, macht es sich zu leicht. Immer nur kritisieren, ohne selbst Verantwortung zu übernehmen – das ist billige Demokratie.

Demokratie lebt vom Mitmachen. Ihre Erfinder im antiken Griechenland ließen deshalb sogar das Los entscheiden, wer Leitungsämter übernahm. Jeden konnte es treffen. Keiner durfte sich drücken. Und nach einer bestimmten Zeit waren dann halt wieder andere dran.

Die Idee dahinter: Man wollte Last und Mühe des Regierens verteilen. Gleichmäßig, auf die Schultern aller. So wurde auch wirksam das Reden und Zetern über „die da oben“ verhindert. Es konnten sich keine geschlossenen Gruppen bilden; keine Kasten von Berufspolitikern und Langzeit-Regierenden.

Aber eben auch keine Masse von Wutbürgern, die ihre gefühlte Ohnmacht gegen den Staatsapparat hinausschreit. Jeder, der einmal Leitungsverantwortung auf sich genommen hat, weiß, wie schwer das ist – und dass man trotz Mühe und Anstrengung oft nur mit halbgaren Lösungen und Flickwerk aufwarten kann.
Längst ist das Losverfahren durch die Wahl abgelöst worden. Wir geben unsere Verantwortung ab. An einige wenige. Dafür gibt es gute Gründe: Die Welt ist kompliziert geworden. Um mitreden und mitentscheiden zu können, muss man sich tief in die Dinge einarbeiten. Das traut sich kaum jemand zu. Und Mühe macht es ja auch.

Nur beim Meckern, da sind dann komischerweise alle wieder Expertinnen und Experten.

Demokratie – und diesen Satz schreiben wir uns hinter die Ohren – lebt vom Mitmachen. Sie ist kein Geschenk. Sie muss erarbeitet werden. Wer Demokratie will, muss sich einbringen. In das Gemeinwesen. Verantwortung übernehmen. In Politik. Bürger-Initiativen. Im Elternbeirat an Schule oder Kita. Irgendwo.
Auch ein Presbyterium ist eine hervorragende Möglichkeit. Und sie kann – bei aller Belastung – schön und erfüllend sein. Das zeigen die Anmeldungen zum Tag für Presbyterinnen und Presbyter in Dortmund: Gefragt sind dort nicht nur Tipps zu rechtlichen und finanziellen Knackpunkten, sondern auch Themen wie „Einladende Gemeinde“ und „Geistliches Leiten“ (Seite 12).

Kirche leiten – auch diese Art von Verantwortung kostet Zeit und Energie. Umso mehr gebührt denen, die sich dieser Aufgabe stellen, unser aller Dank. Das ist auch eine gute Gelegenheit zu überlegen, ob sich nicht noch weitere aufraffen können, mitzumachen und die Herausforderungen auf mehr Schultern zu verteilen.
Der eingangs erwähnte Mann hat das getan: Er ist jetzt Mitglied im Presbyterium seiner Gemeinde. Mal sehen, was er für Erfahrungen macht. (Seiten 10, 12/13, 16)