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Der Grusel-Autor Edgar Allan Poe ging vor 175 Jahren zugrunde

Mit seinem Schauergedicht vom Raben landete der kaum bekannte Edgar Allan Poe 1845 einen Welterfolg. Doch was eine Riesenkarriere hätte begründen können, dokumentierte nur, was den Autor tatsächlich beherrschte: Finsternis.

Lebendig eingemauert in einem feuchten Kellergewölbe, die Narrenkappe auf dem Kopf, während wenige Stockwerke höher der Karneval von Venedig taumelt. So grausam wie der venezianische Lebemann Fortunato in seiner Erzählung “Das Fass Amontillado” starb Edgar Allan Poe nicht – so einsam allemal. Der größte US-amerikanische Dichter der Romantik wurde nur 40 Jahre alt. Am 7. Oktober 1849, vor 175 Jahren, starb der Grusel-Autor, völlig verarmt, in einem Hospital in Baltimore.

Literarisch hat Edgar Allan Poe Neuland betreten, und so erging es ihm nach Art der Neuerer: Die Meinungen über ihn klaffen weit auseinander. Sein ungnädiger Nachlassverwalter etwa, der Geistliche Rufus Wilmot Griswold, der posthum die erste Gesamtausgabe seiner Schriften herausgab, nannte Poe ein “satanisches Beispiel und eine Warnung, bar jeden Vertrauens in Mann oder Frau, ohne jedes moralische Empfinden und mit nur wenig oder ganz ohne jegliche Ehrbarkeit”. Baudelaire dagegen, der seine sensiblen Gedichte übersetzte und in Frankreich bekanntmachte, hielt ihn für einen “amerikanischen Byron, verirrt in einer bösen Welt”. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen.

Poes Werk ist in weiten Teilen so albtraumartig wie sein eigenes Leben. Besessen von der Vorstellung eines Schreckensreiches zwischen Leben und Tod, lotet er in beklemmenden Bildern die Ängste des menschlichen Unterbewusstseins aus. Doppelgängertum, Engel und Geistwesen, Grauen und Inquisition, Wiedergeburt und Wahnsinn stehen auf der einen, kaltes Kalkül, perverse Logik und nüchternste Situationsanalyse auf der anderen Seite. Poes Themen kreisen um den frühen Tod der Geliebten, um Abgrund, Reue, Rache, Mord.

Am 19. Januar 1809 wurde Edgar Poe in Boston geboren. Mit kaum zwei Jahren verwaist, wuchs er bei dem wohlhabenden Kaufmann John Allan auf. Der ließ ihm eine gute Erziehung zukommen, darunter fünf Jahre in England – allerdings keine menschliche Wärme. Mit 17 versuchte sich Poe an der Universität in Charlottesville, von der ihn sein Ziehvater aber schon im Jahr darauf entfernte, weil der kurz gehaltene Edgar Spielschulden gemacht hatte. Dieser Eklat führte zum Bruch. Poes erste literarische Veröffentlichungen 1828/29 blieben fast unbeachtet, und auch als Kadett der berühmten Militärakademie West Point war dem jungen Dichter kein Erfolg beschieden. Hartnäckig betrieb er seine eigene Entlassung 1831 – wegen “Liederlichkeit” und “Aufsässigkeit”.

Verfolgt von Depressionen, Suizidgedanken und periodischer Trunksucht flüchtete sich Poe in die Obhut seiner Tante nach Richmond. Dort heiratete er 1836 seine erst 13-jährige Cousine Virginia Clemm und schlug sich als Journalist durch. Nach seiner Entlassung wegen Trunkenheit zogen die beiden in die Nähe von New York und lebten – trotz allmählich steigender Bekanntheit seiner Werke – über Jahre von der Hand in den Mund.

Poes wichtigste Werke sind richtungsweisende Detektiv-Erzählungen wie “Der Doppelmord in der Rue Morgue” (1841) und “Der Goldkäfer” (1843), Schauergeschichten wie “Der Untergang des Hauses Usher” (1839), “Das verräterische Herz” und “Die Grube und das Pendel” (1843) – und schließlich, nach jahrelanger Arbeit daran, “der Rabe” (“The Raven”), 1845 in der New Yorker Zeitung “Evening Mirror” veröffentlicht. Das düster-romantische, sorgsam komponierte Gedicht gehört bis heute zu den bekanntesten der US-Literatur.

In 108 Versen schildert es den mysteriösen mitternächtlichen Besuch eines Raben bei einem Verzweifelten, dessen Geliebte gestorben ist. Der Mann versucht, mit dem seltsamen Gast ins Gespräch zu kommen. Doch der Rabe antwortet stets nur das eine Wort: “Nevermore!” (nimmermehr!). Und da der Trauernde dem Tier permanent die falschen Fragen stellt – etwa ob er die Geliebte denn einst im Jenseits wiedersehen werde -, stürzt ihn die immer gleiche Antwort nur in immer größeres Grauen.

Die Verlustangst hatte ihren Sitz im Leben: Obwohl Poe buchstäblich hungerte, um seine junge Frau zu retten, konnte er nicht verhindern, dass Virginia Anfang 1847 an Tuberkulose starb. Er verließ New York und suchte Trost in mehreren kurzen Liebschaften. Die Umstände seines eigenen Todes wurden nie geklärt. Nach einer neuen Verlobung und einem glücklichen Sommer mit Freunden sei er mit Todesahnungen in Baltimore gelandet, so wird berichtet. Dort sei er von einer Feier zu einem mehrtägigen Alkoholexzess verschwunden und habe kurz darauf einen Herzinfarkt erlitten. Reißerischen Stimmen zufolge verbrachte er seine letzten Tage im Oktober 1849 in unbändiger Trauer und Trunksucht, überarbeitet, heruntergekommen und geistig umnachtet. Die düsteren Fantasien seiner Schauergeschichten spiegeln die Schatten eines entnervten Geistes.