Wagemutige Konstruktionen aus Eisen und Stahl waren sein Metier. Mit einem zweckfreien Turm in Frankreichs Hauptstadt setzte er sich quasi selbst ein Denkmal. Nur: Warum hieß dieser eiserne Gustave eigentlich Eiffel?
Bevor wir den Bogen nach Paris schlagen, streben wir für einen Moment Marmagen entgegen. Der 1.600 Seelen-Ort liegt im waldreichen Südwesten von Nordrhein-Westfalen. Hier trat im späten 17. Jahrhundert eine Familie Bönickhausen auf den Plan. Ein Spross dieses Clans soll sich um 1710 auf eine weite Reise begeben haben: von Marmagen nach Paris. Weil den Franzosen “Bönickhausen” ein wenig schwer von der Zunge ging, fügte der Mann seinem Namen den Zusatz “Eiffel” bei – nach dem Mittelgebirge, dem er entstammte und das sich seinerzeit noch mit doppeltem “f” schrieb.
Zum alleinigen legalen Familiennamen wurde “Eiffel” laut Biograf Bertrand Lemoine erst 1879. Da standen die sechs Buchstaben bereits für Wertarbeit beim Bau von Brücken und Bahnhöfen. Mit den von ihm betreuten oder geplanten Projekten stellte der Ingenieur Gustave Eiffel die Weichen für die rasanten wirtschaftlichen Umwälzungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Vor 100 Jahren, am 27. Dezember 1923, starb Eiffel im Alter von 91 in Paris, als “großer Wissenschaftler, Industriekapitän und von den Seinen geachteter Patriarch”, wie es auf der Homepage der Association des Descendants de Gustave Eiffel (ADGE) heißt, des Verbandes seiner Nachfahren.
Geschäftssinn und Durchsetzungsstärke erbte der am 15. Dezember 1832 in Dijon geborene Eiffel offenbar von seiner Mutter Catherine Moneuse. Die Tochter eines Holzhändlers investierte in das boomende Geschäft mit der Steinkohle und trug entscheidend dazu bei, dass das Vermögen der Familie binnen kurzer Zeit auf die Summe von 300.000 Goldfranken anschwoll.
Sohn Gustave schloss sich 1856 Charles Nepveu an, einem Tiefbauunternehmer und Spezialist für “festes und rollendes Material von Eisenbahnen”. Nur zwei Jahre später, mit gerade mal Mitte 20, landete der junge Mann auf einer der größten Baustellen in Frankreich: als Leiter für den Bau der Eisenbahnbrücke von Bordeaux.
Beruflich fuhr Eiffel auf dem Erfolgsgleis. Im Privatleben lief es weniger geschmeidig. “Ich werde alt, ich lasse die Dreißig hinter mir, und meine Zukunft als alter Hagestolz finde ich nicht berückend”, schrieb Eiffel im Januar 1862 an seine Mutter. Er brauche “eine gute Hausfrau, die mich nicht allzu wütend macht, die mich so wenig wie möglich betrügt und die mir schöne, wohlgeratene und tatsächlich von mir gezeugte Kinder macht.” Catherine präsentierte postwendend eine Kandidatin: die 17-jährige Marie Gaudelet. Die Hochzeit fand im Sommer desselben Jahres statt.
Das Eisen schmieden, solange es heiß ist – diesem Grundsatz folgend eroberte Eiffel mit seinen Konstruktionen die halbe Welt. Kirchen auf den Philippinen und in Peru, der Westbahnhof von Budapest, Brücken in Vietnam oder das Eisengerüst für die Freiheitsstatue in New York: überall war Eiffel zur Stelle. Als er den Auftrag bekam, eine Metallstruktur für die Synagoge in der Pariser Rue des Tournelles zu konstruieren, schrieb er seinem Vater stolz: “Wie Du siehst, bin ich nicht einseitig.”
Nein, einseitig war er nicht – stattdessen etwas übereifrig. Das zeigte sich im Vorfeld der Weltausstellung in Paris 1889. “Der Wunsch, das höchste Bauwerk der Welt zu errichten, spukte damals in manchen Köpfen”, so Paris-Kenner Thankmar von Münchhausen. Eiffel habe sich des Entwurfs zweier Mitarbeiter bemächtigt, “der den Metallturm, der seinen Namen tragen sollte, in allen wesentlichen Zügen vorwegnahm”.
Anfangs stieß das Projekt auf Widerstände. Ein “tragischer Laternenpfahl” (Leon Bloy) sei dieser “Turm Unserer Lieben Frau vom Trödelmarkt” (Joris-Karl Huysmans). Doch Eiffel vollendete die aus 18.000 Einzelteilen bestehende Konstruktion zügig und zur Freude der 20 wohl leicht atemlosen Honoratioren, die ihm am 31. März 1889 die 1.700 Stufen bis zur dritten Plattform folgen konnten. Lediglich mit den Aufzügen lag Eiffel nicht im Zeitplan.