Bonn (epd). Die Fenster sind runtergekurbelt, die Musikanlage voll aufgedreht und der Motor jault auf. "Das ist ein Gefühl von Freiheit", schwärmt Berti alias Til Schweiger 1991 in dem Kult-Film "Manta Manta". Der gelb-blaue Opel-Sportwagen mit Autogramm des Hauptdarstellers ist nun bis zum 21. Januar 2018 eines von rund 800 Exponaten in der Ausstellung "Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos" im Haus der Geschichte.
Der Manta ist für Berti viel mehr als nur ein Transportmittel und steht damit für das emotionale Verhältnis vieler Deutscher zu ihrem Auto. "Nichts bewegt die Deutschen so sehr wie das Automobil", sagt Ausstellungsleiter Ulrich Op de Hipt. Das belegen gleich zu Beginn der Ausstellung Zahlen, die der Besucher auf einem großen Deutschland-Karten-Display abrufen kann.
Kleine Freiheiten
69 Prozent der Deutschen sagen, dass sie ihr Auto lieben, heißt es da. Auf die Frage, was für Deutschland steht, entschieden sich 63 Prozent der Befragten für den VW Käfer. Goethe landet weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz. Dem Käfer als Symbol für den wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg ist daher auch das erste Kapitel der Ausstellung gewidmet.
Als typisches Familienauto war der kleine VW in den 50er und 60er Jahren immer mit dabei. Er erlaubte kleine Freiheiten, die bis dahin nicht möglich gewesen waren. So etwa den Ausflug ins Grüne, wie ihn eine Aufnahme des Fotografen Jupp Darchinger von 1957 zeigt: Eine Familie picknickt im Wald neben ihrem Käfer. 1963 packte Christo das Auto mit der unverwechselbaren Form ein. Und als "Herbie" spielt er die Hauptrolle in der Disney-Kinoserie "Ein toller Käfer".
Das DDR-Pendant war der Trabant. "Er gehörte zur Familie und wurde als Kostbarkeit gehütet", erklärt Automobil-Historiker Peter Kirchberg. Seine Duroplast-Karosserie wurde zum Symbol der DDR-Mangelwirtschaft. Aber der "Trabi" war auch Sinnbild der Freiheit, als nach der Maueröffnung Tausende DDR-Autos in den Westen strömten.
Ein bisschen Emanzipation
Ein besonders seltenes Auto zeigt, dass auch die DDR-Bürger Spaß am Geschwindigkeitsrausch hatten: Einer von nur 101 gebauten Melkus Sportwagen. Das 30.000 Mark teure Auto konnte sich allerdings kaum jemand leisten. Auf den himmelblauen Wagen aus Plaste mit 90 PS wartete der Besteller "nur" zwei Jahre – im Gegensatz zu rund zwölf Jahren Wartezeit für einen Trabant. "Bei der Höchstgeschwindigkeit von 170 Stundenkilometern musste man gut aufpassen, dass er nicht abhob, weil er so leicht war", sagt Op de Hipt.
Ob Ost oder West: Für viele Deutsche war und ist das Auto ein Symbol der Freiheit. Der "Lappen", wie das alte Führerschein-Dokument liebevoll genannt wird, ist für viele immer noch ein Schritt in die Unabhängigkeit. Für die Ausstellung stellte TV-Moderator und Auto-Narr Günther Jauch seinen alten Führerschein zur Verfügung und berichtet, was sein der Erwerb für ihn bedeutete.
Vor allem für Frauen war der Führerschein in den 50er und 60er Jahren ein Schritt in Richtung Emanzipation. Bis 1957 brauchten sie sogar noch die Zustimmung ihres Ehemannes, um die Fahrprüfung ablegen zu dürfen. Die TV-Verkehrs-Aufklärungsserie "Der siebte Sinn" betrachtete Frauen am Steuer noch in den 70er Jahren als Sicherheitsrisiko, weil sie sich öfter mal im Rückspiegel schminkten oder mit hochhackigen Schuhen und zu engen Jeans am Steuer säßen.
Geschwindigkeitsrausch mit Folgen
Freiheit bedeutete das Auto auch für die Hippie-Bewegung. Vor allem der VW-Bus wurde zum "Hippie-Auto". Junge Leute wie etwa Sigrid und Will Tendok stiegen Anfang der 70er Jahre aus und tauschten ihre Wohnung gegen den sogenannten "Bulli" ein. Die Tendoks verkauften 1971 ihr gesamtes Hab und Gut und reisen mit ihrem VW-Bus durch die ganze Welt. Schmuck, Fellmantel und andere Mitbringsel zeugen davon.
Doch ab den 70er Jahren wird auch die Kehrseite der zunehmenden Motorisierung deutlich. Das Umweltbewusstsein wächst und führt vor allem in jüngster Zeit zur Suche nach alternativen Antrieben. Außerdem machen sich die Menschen Sorgen um die Sicherheit. "Massentod auf Deutschlands Straßen" titelt der "Spiegel" im Juni 1971.
Der Spaß am Geschwindigkeitsrausch hält bis heute an. Das Computerspiel "Need for Speed" verherrlicht noch 2015 rücksichtslose Autorennen. Daneben weist ein Zeitungsbericht von Februar 2017 auf die Folgen hin: In Berlin wurden erstmals zwei Teilnehmer eines illegalen Autorennens zu lebenslanger Haft verurteilt, weil sie einen Menschen totgefahren hatten.