SOEST – „Ich hab ja nichts gegen die, aber…“ Häufig fangen Sätze so an, die alltäglichen Rassismus zum Ausdruck bringen. „Es ist die Frage nach der – vermeintlichen – Herkunft, obwohl man in Bielefeld geboren wurde. Es sind die vermeintlichen Komplimente wie ‚Du sprichst aber gut Deutsch‘ oder lobend gemeinte Verallgemeinerungen wie ‚asiatische Schülerinnen sind immer so fleißig‘, die Beispiele für Alltagsrassismus sind“, verdeutlicht Pfarrerin Birgit Reiche, Landfrauenbeauftragte der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen, in ihrem Vortrag. Vier Veranstaltungen mit insgesamt mehr als 200 evangelischen Landfrauen hat sie seit Januar 2019 in Hattingen, Soest, Tecklenburg-Leeden und Unna zu diesem Thema durchgeführt.
Rassistische Vorurteile und Diskriminierungen sind weiter verbreitet, als viele denken. „Alle Neonazis sind Rassisten – aber nicht alle Rassisten sind Neonazis“, bringt es Reiche auf den Punkt.
Wenn über Rassismus gesprochen werde, werde häufig weit in die Ferne, in die rechts-radikale Szene oder in die Vergangenheit geschaut, aber selten auf das Jetzt, das Hier und Heute. Dabei laufe Alltagsrassismus häufig subtil. Manchmal ist es der Ton, der Blick, die Mimik, Gestik, die einem zu verstehen gäbe, dass man unerwünscht sei. Rassismus beschreibe mehr als ein individuelles Vorurteil. „Er stellt eine soziale Praxis der Unterscheidung dar, die Gesellschaften strukturiert und Hierarchien legitimiert“, stellt Birgit Reiche klar. „Rassismus ist immer ein gesellschaftliches Verhältnis. In dieser Ordnung erfahren bestimmte Menschen Abwertung, Ungleichbehandlung und Benachteiligung.“
Die Gesellschaft muss Rassismus als solchen benennen und einen Umgang mit ihm zu finden, so Reiche. „Wenn das Erlebte keinen Namen hat, nicht benannt wird, dann existiert es nicht“, verdeutlicht sie. Die Erlebnisse würden unsichtbar bleiben und die Betroffenen mit den Folgen auf sich alleine gestellt.
Die Landfrauenbeauftragte ruft dazu auf, Rassismus zu benennen und sichtbar zu machen. So seien die „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ rund um den 21. März, dem „Internationalen Tag für die Beseitigung rassistischer Diskriminierung“ der Vereinten Nationen, in jedem Jahr eine gute Gelegenheit. In diesem Jahr finden sie unter dem Motto „100% Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus“ statt.
Um einen Perspektivwechsel beim Begriff „Rasse“ zu unterstützen, rief die 55-jährige Pfarrerin die Zuhörerinnen auf, mit dafür zu sorgen, dass im Grundgesetz (GG) der Begriff „Rasse“ nicht mehr auftaucht. Eine Änderung des Diskriminierungsverbotes in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 im GG wäre dafür nötig. Dort heißt es derzeit: „Niemand darf wegen … seiner Rasse, … benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Allein rassistische Theorien gehen von der Annahme aus, dass es unterschiedliche menschliche „Rassen“ gebe, so Reiche.
Der Begriff „Rasse“ sollte gestrichen und trotzdem Sorge dafür getragen werden, Rassismus zu bekämpfen und rassistische Diskriminierungen auszuschließen. Birgit Reiche ruft zu einer Petition in diesem Sinne auf, denn sie weiß: „Rassismus lässt sich nicht glaubwürdig bekämpfen, wenn der Begriff „Rasse“ beibehalten
wird.“ UK