Als nach Kämpfen im Donbass gegen die russischen Angreifer die ersten Nachrichten von toten ukrainischen Soldaten aus ihrer Heimatstadt eintreffen, handelt Valentyna Sobetska. Die heute in Ludwigshafen lebende Ukrainerin gründet mit Freunden den Verein Kinderhilfe Ukraine Rhein-Neckar für Novograd-Volynskij. Das war Anfang Dezember 2014 – vor zehn Jahren. „Ich musste etwas für die Kinder tun, die ihre Eltern verloren hatten“, erinnert sich die 54-Jährige. Mit mehr als 200 Aktionen hat der Verein die Partnerstadt von Ludwigshafen seither unterstützt: Swjahel heißt die rund 60.000 Einwohner zählende nordukrainische Garnisonsstadt heute.
Als erste Aktion organisierte der Verein, dessen hartem Kern rund zehn Personen aus Ludwigshafen und Mannheim angehören, im Dezember 2014 gemeinsam mit dem Partnerverein „Harmonia+“ aus Swjahel ein Nikolausfest für Kinder mit Behinderungen und ihre Familien. Zudem erhielten Kriegsflüchtlinge aus der Ostukraine Lebensmittelpakete. Das Leid vieler Kinder, deren Eltern im Krieg starben, verwundet wurden oder vermisst sind, rührte die gelernte Buchhalterin Sobetska, die seit 2013 in Ludwigshafen lebt.
Gemeinsam mit ihrem Ehemann Peter Runck (63), dem früheren Geschäftsführer des Internationalen Bauordens mit Sitz in Ludwigshafen, leitet sie den gemeinnützigen Verein. Mehrere hundert Kinder und Jugendliche hat die Kinderhilfe Ukraine seither aus Swjahel zu Erholungsaufenthalten in die Pfalz eingeladen. Bei Sommerferiencamps kommen Kinder und Jugendliche aus der Ukraine und Deutschland zusammen. Die jungen Ukrainer, die oft traumatisiert sind, können bei Spielen und Ausflügen einige Wochen lang ihrem tristen Kriegsalltag entfliehen.
Von Anfang an stand in dem Verein, der breite Unterstützung in der Ludwigshafener Stadtgesellschaft findet, auch die humanitäre Hilfe für die vom Krieg betroffenen Menschen aus der Partnerstadt im Vordergrund. Kleider und Lebensmittelpakete wurden an kinderreiche Familien geschickt und eine Nähwerkstatt für junge Frauen aufgebaut. Alleinerziehende Mütter und Familien mit Pflegekindern sowie Kinder und Jugendliche mit Behinderungen erhielten ebenso Hilfe wie Roma-Familien und Binnenflüchtlinge. Sach- und Geldspenden im Wert von rund einer halben Million Euro seien insgesamt in den vergangenen zehn Jahren verteilt worden, sagt der frühere Sozialpädagoge Runck.
Einen deutlichen Schub erhielt die Vereinsarbeit nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Seither kümmert sich der Verein auch in Ludwigshafen um viele Kriegsflüchtlinge. „Plötzlich war die Ukraine in aller Munde“, sagt Sobetska. Mit Freunden und ehrenamtlichen Helfern organisierte die Kinderhilfe Ukraine Rhein-Neckar zahlreiche Hilfsangebote für die Geflüchteten: einen Chor, eine Volleyball- und eine Theatergruppe, ein Café sowie eine Kunstausstellung mit Bildern aus Swjahel. Zudem gibt es Informations- und Kulturveranstaltungen zur Ukraine.
Für die Kinder und Jugendlichen aus dem Kriegsgebiet seien die Aufenthalte in der Pfalz auch eine Gelegenheit, europäische Werte wie Freiheit und Demokratie kennenzulernen, sagt Sobetska. „Sie sehen, was Europa bedeutet und wofür ihre Eltern kämpfen.“ Für ihr Engagement erhielt Sobetska von ihrer Heimatstadt die Auszeichnung „Engel der Stadt“.
Nicht zuletzt aufgrund der Arbeit der Kinderhilfe Ukraine Rhein-Neckar schloss die Stadt Ludwigshafen vor zwei Jahren eine Partnerschaft mit Swjahel. Nun komme die Partnerschaftsarbeit hinzu, weshalb der Verein weitere Mitglieder und auch Spenden benötige, sagt Peter Runck. „Wir haben mit wenig Geld viel erreicht.“