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Das Wagnis Alltagsglaube

Nach Gottes Wort zu leben, ist in den vielen täglichen Situationen und Entscheidungen gar nicht so einfach. Zum Glück geht es nicht darum, die Welt zu retten, sondern um Erlösung.

Viel war von Sonntagen die Rede während Corona: Gottesdienste, Gemeinschaft im Abendmahl, Weihnachten, Ostern, Konfirmationen – all das wurde ausführlich diskutiert. Aber Christin oder Christ ist man nicht nur sonntags. Die meiste Zeit seines Lebens verbringt man als „Alltagschrist“: unterwegs im ganz normalen Trott zwischen Haushalt und Kinderbetreuung, Arbeit und Einkauf, Arztbesuchen und Freizeitgestaltung.

Die Alltagszeiten haben nicht den Glanz der großen Feste oder erhebenden Gemeinschaftserlebnisse. Oft ist die Alltagschristin, der Alltagschrist auf sich gestellt, wenn es um die Frage geht, was Christsein heißt in den vielen kleinen Situationen und Entscheidungen, die Menschen tagtäglich erleben – in der Schlange beim Bäcker; im Konflikt mit der Kollegin; in der Sorge um den kranken Freund; im Stau auf dem Heimweg; beim Wachliegen in der Nacht.

Die Bibel ist da eigentlich ziemlich klar: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus“, heißt es im Kolosserbrief. Das ist der Anspruch: Redet und handelt nach Jesu Weisungen und Vorbild. Seid wahrhaftig; seid barmherzig; achtet aufeinander; übt Nächstenliebe; vergebt einander. Und dann auch noch: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.“ (Römer 12,12) Und das Ganze nicht nur wo es gerade passt oder leichtfällt, sondern immer.

Ein hoher Anspruch. Zu hoch für uns kleine, selbstsüchtige Mensch-lein, die ständig Angst haben, zu kurz zu kommen und das Leben zu verpassen. Trotzdem steht er da, dieser Anspruch: in den Zehn Geboten, in der Bergpredigt. Klar und kompromisslos. Eine totale Überforderung. Oder – eine Befreiung.

Denn die Botschaft des Alten und Neuen Testaments heißt nicht: Werdet bessere Menschen und rettet die Welt. Sie heißt vielmehr: Du, Mensch, bist von Gott geliebt und erlöst. Das reicht. All deine Sorgen um Anerkennung, Erfolg, Lebensfülle, Fehlerlosigkeit, Selbstoptimierung kannst du loslassen. Du musst nicht gegen andere kämpfen, sondern darfst sie als Geschöpfe Gottes sehen, wie du eines bist; und so kannst du mit ihnen umgehen, wie Jesus es tat.

In der Schlange beim Bäcker, indem ich der gestressten Verkäuferin freundlich zulächele. Im Streit mit der Kollegin, indem ich versuche, ehrlich meine und ihre Anteile daran anzusprechen. In der Sorge um den kranken Freund, indem ich ihm zuhöre, ihn in den Arm nehme, mit ihm weine. Im Stau, indem ich anderen dieselbe Frustration zugestehe wie mir selbst. Und beim Wachen nachts, indem ich Gottes Nähe suche und ihm meine Nöte, meine Sorgen und meine Dankbarkeit sage.

Ist das zu einfach? Ja – wenn es bei den Worten bleibt. Danach im Alltag zu leben, ist ein Wagnis, immer wieder. Und auch dann, wenn wir bei unseren Bemühungen den Segen spüren, der von der Nächstenliebe ausgeht, bleibt es schwer genug und wir werden immer wieder scheitern. Dafür gilt Gottes Vergebung. Nachfolge wird in der Bibel als Mitgehen mit Jesus beschrieben; als ein Weg durch Höhen und Tiefen – aber niemals allein. Und niemals vergeblich.