Nach der Trauer kommt der Streit. Zumindest ist das in nicht wenigen Familien so, wenn das Erbe verteilt werden soll. Damit es nicht zu unschönen Verwerfungen kommt, sollte ein Testament vorhanden sein. Das kann man rein theoretisch selbst verfassen – und auch auf einen Bierdeckel packen, wenn man will. Allerdings rät die Münchner Fachanwältin Daniela Pinker-Leonpacher davon ab. Denn das Erbrecht sei voller Fallstricke, sagt die Expertin. Und statt Streitvermeidung provoziere man dann oft erst recht Streitigkeiten.
epd: Frau Pinker-Leonpacher, kurze Klärung zum Start: Letzter Wille und Testament werden oft synonym verwendet, aber ist es auch dasselbe?
Pinker-Leonpacher: Also zumindest unter Letzter Wille und Testament wird dasselbe verstanden, auch juristisch.
epd: Muss man denn immer einen Juristen zurate ziehen, wenn man ein gültiges Testament aufsetzen will?
Pinker-Leonpacher: Theoretisch kann man immer ohne juristischen Rat ein Testament verfassen, aber ich würde das nicht empfehlen, weil es einfach viele rechtliche Unklarheiten und Fallstricke gibt. Im schlimmsten Fall ist ein alleine aufgesetztes Testament entweder aus formalen Gründen nicht wirksam oder es gibt inhaltliche Unklarheiten, dann ist es „auslegungsbedürftig“, und das Gericht muss den letzten Willen klären. Den Verfasser kann man ja nicht mehr fragen, was er gemeint hat, denn er ist tot. Der Nachlassrichter kann dann nur versuchen zu erraten, was gemeint ist. Je klarer und wasserdichter die Formulierung, desto geringer ist der Streit bei der Auslegung.
epd: Wenn ich nun aber doch lieber alleine im stillen Kämmerlein ein Testament schreiben will, worauf muss ich so als Faustregel unbedingt achten?
Pinker-Leonpacher: Für Testamente gibt es einige Mindestvoraussetzungen. Wenn man es ohne Notar rechtsgültig aufsetzen will, muss es komplett handschriftlich und unterschrieben sein. Außerdem sollten Ort und Datum darauf festgehalten werden, um nach dem Tod auch zweifelsfrei feststellen zu können, welcher wirklich der letzte Wille ist, falls weitere Testamente auftauchen. Empfehlenswert ist außerdem: mit vollem Namen unterschreiben! Bei einem mehrseitigen Testament sollte jede Seite mit Seitenziffer, Datum und Unterschrift versehen sein, um Austauschgefahr zu vermeiden.
epd: Können Sie kurz erläutern, wann ein Testament „auslegungsbedürftig“ ist?
Pinker-Leonpacher: Da gibt es viele verschiedene Gründe. Die Ursache ist aber immer, dass das Testament unklar formuliert wurde – also aus rechtlicher Sicht. Ein Beispiel: Ein Vater schreibt in seinem selbst verfassten Testament, seine beiden Kinder sollen erben. Die Tochter soll die Firma und der Sohn das Haus erhalten. Die Firma ist fünf Millionen Euro wert, das Haus nur 1,5 Millionen – damit wäre das Erbe nicht wertgleich verteilt; ob der Vater das wollte, ist fraglich. Wollte er die ungleiche Wertverteilung oder sollte der Sohn von der Tochter zusätzliche 1,75 Millionen erhalten, dass jeder gleich viel erhält? Man darf das, aber man muss das klar benennen, sonst könnte der Sohn einen Ausgleich fordern. Das bedeutet in der Regel Streitigkeiten, und auch das wollen und sollen die Erblasser mit einem Testament eigentlich verhindern.
epd: Was gehört denn alles ins Testament? Also geht es da nur um materiellen Nachlass, oder geht’s da auch um andere Dinge?
Pinker-Leonpacher: Aus praktischer Sicht sollte es so umfassend wie nötig und klar formuliert sein. Ich kann mein Vermögen – bis auf den möglichen Pflichtteil – auch an „arme Tiere“ oder „bedürftige Menschen“ geben. Dann sollte ich aber auch reinschreiben, was genau ich damit meine. Grundsätzlich gibt es nichts, was nicht ins Testament rein darf, es kommt halt darauf an, was man alles noch regeln oder mitteilen möchte.
epd: Viele Menschen wollen inzwischen auch regeln, wie ihre Trauerfeier oder wie ihre Beerdigung aussehen soll. Kommt das auch ins Testament?
Pinker-Leonpacher: Das kann man natürlich mit hineinschreiben – allerdings sollte man zumindest diesen Teil des Testaments denjenigen, die sich um Trauerfeier und Beerdigung kümmern sollen, vorab bekannt machen. Denn in der Regel werden Testamente beim Nachlassgericht hinterlegt, und bis die dann eröffnet werden, ist die Beerdigung und Trauerfeier meist schon vorbei. Dann bringt es natürlich nichts, wenn ich detailliert alles aufgelistet habe und erst hinterher bekannt wird, was ich eigentlich gewollt hätte. Im Zweifel gibt das auch wieder rechtliche Probleme: Denn welche Konsequenzen hat es, wenn ich den Letzten Willen in diesem Punkt nicht berücksichtigt habe?
epd: Sie haben gerade den möglichen Pflichtteil angesprochen – das hat jeder schon mal irgendwie gehört, aber so genau weiß man darüber nicht Bescheid…
Pinker-Leonpacher: … der Pflichtteil ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils – und auf den haben die Kinder und der Ehegatte immer einen Anspruch, es geht – von der sogenannten Pflichtteilsunwürdigkeit abgesehen – nicht, sie auch davon zu „enterben“. Wie hoch der Pflichtteil ist, hängt vom ehelichen Güterstand ab. Der gesetzliche Anteil ist folgendermaßen geregelt: Bei der Zugewinngemeinschaft bekommt der verwitwete Partner 50 Prozent, die andere Hälfte teilen sich die Kinder; bei einer Gütertrennung kommt es auf die Zahl der Kinder an. Bei zwei Kindern dritteln sich Ehepartner und Kinder das Erbe, bei mehr als drei Kindern erhält der Ehepartner ein Viertel und die Kinder zu gleichen Teilen den Rest. Der Pflichtanteil ist jeweils die Hälfte dieses gesetzlichen Anteils. Was dann noch übrig bleibt, gehört den Erben.
epd: Okay, das klingt ziemlich kompliziert. Dann sollte man sich von der eigentlich charmanten Idee des Testaments auf dem Bierdeckel besser verabschieden?
Pinker-Leonpacher: Das bleibt natürlich jedem selbst überlassen – denn solange ein Bierdeckel-Testament die Mindestanforderungen erfüllt, ist es prinzipiell gültig: also, handschriftlich, Datum, Unterschrift. Ich würde aber auch davon eher abraten, denn außer, dass es witzig klingt, löst es die Probleme, die ein Testament lösen soll, in der Regel nicht, weil man auf einem kleinen Bierdeckel kaum sauber, also zweifelsfrei juristisch formulieren kann.
epd: Sie sind ja Fachanwältin für Erbrecht – und trotzdem bringt man Testamente eher mit Notarinnen und Notaren in Verbindung, weshalb?
Pinker-Leonpacher: Jeder Anwalt darf mit seinen Klienten Testamente erarbeiten – aber hier gilt auch: wenn kein Notariat eingebunden wird, muss es handschriftlich verfasst sein. Wir machen das bei uns in der Kanzlei so, dass wir mit dem Mandanten dessen Willen erarbeiten und anschließend einen Entwurf erstellen. Der Entwurf wird dann mit dem Mandanten besprochen – und wenn dann alles passt, schreibt der Mandant den Text selbst ab. Nur wenn ein Testament von einer Notarin oder einem Notar beurkundet wurde, darf es maschinell geschrieben sein – der Erblasser muss es dann nur noch handschriftlich unterschreiben. Und bei einem notariellen Testament ist kein Erbschein notwendig, den die Erben andernfalls beim Nachlassgericht beantragen müssen. Man kann auch direkt zum Notar gehen, der im Erbrecht versiert ist.
epd: Wie viele Menschen haben denn überhaupt ein Testament aufgesetzt?
Pinker-Leonpacher: Dazu gibt es mehrere Befragungen. Grob gesagt haben mindestens 70 Prozent gar kein Testament verfasst. Bei den übrigen 30 Prozent liegt das Testament zumeist schon lange unangetastet in der Schublade – nur bei etwa jeder oder jedem Fünften von denen, die überhaupt ein Testament errichtet haben, ist es jünger als zwei Jahre.
epd: Aber ist das nicht egal, wie alt ein Testament ist?
Pinker-Leonpacher: Rechtswirksam ist es bei Einhaltung der Mindestanforderungen natürlich immer, egal wie alt es ist. Aber: Das Leben steht ja nicht still, Lebensumstände verändern sich, das Vermögen, der Besitz, die Familie. Deshalb raten wir, dass man sein Testament zumindest selbst alle zwei Jahre mal in die Hand nimmt und gründlich liest, ob das alles noch passt, oder ob man eine Anpassung vornehmen sollte.
epd: Wie vorbildlich sind Sie als Fachanwältin bei dem Thema? Wie alt ist ihr Testament?
Pinker-Leonpacher: Das Grunddokument habe ich vor meiner Zulassung als Anwältin erstellt. Und seither ist es mehrmals überarbeitet worden. Übrigens nicht nur, weil sich bei mir etwas verändert hat, sondern auch weil sich die Rechtslage und die Rechtsprechung immer mal wieder ändert und das dann Auswirkungen auf den Letzten Willen haben kann. Mein Testament ist ein Jahr alt. (00/3262/03.11.2024)