Am Wochenende ein Ausflug in die Niederlande, mit einem bedrückenden Ende: eine lange Kolonne von Autos auf dem Rückweg nach Deutschland, gestoppt von Polizisten, die jeden einzelnen Wagen kontrollieren. Ein Bild, das längst der Vergangenheit angehören sollte. Im Gepäck: das beklemmende Gefühl von Kontrolle und Misstrauen. Deutschland – und mit ihm Europa – hatte sich zu einer Region entwickelt, an deren Grenzen Reisefreiheit und Vertrauen keine Vision, sondern Alltag waren.
Doch nun, da wieder verstärkt kontrolliert wird, zeigt sich, wie fragil diese Freiheit ist. Immense Mittel werden eingesetzt. Laut der Gewerkschaft der Polizei sind bei der Bundespolizei mittlerweile mehr als 2,8 Millionen Überstunden aufgelaufen. Doch die Bilanz ist dünn: Seit Bundesinnenminister Dobrindt Anfang Mai angeordnet hat, die Grenzkontrollen zu intensivieren, wurden bisher 311 Menschen an deutschen Grenzen zurückgewiesen.
Illegale Migration: Oft aufgebauscht, selten sachgerecht betrachtet
Verhindert wird also kaum etwas, erreicht vor allem eines: das Ende eines europäischen Versprechens. Die Reisefreiheit, einst so hart erkämpft, wird für ein diffuses Sicherheitsgefühl geopfert. Es ist ein trauriges Symbol für den politischen Zustand in Europa. Die Angst vor „illegaler Migration“ – oft aufgebauscht, selten sachgerecht betrachtet – rechtfertigt einen Rückfall in Grenzkontrollen, die mehr Schaden anrichten, als sie Nutzen bringen.

Aus kirchlichen Kreisen wurde deutliche Kritik laut. 700 Theologinnen und Theologen haben einen Aufruf der „Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl“ unterzeichnet, in dem der neue Migrationskurs der Regierung scharf verurteilt wird. Und der Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für Flüchtlingsfragen, Bischof Christian Stäblein, hat jüngst betont: „Dauerhafte Grenzkontrollen und pauschale Zurückweisungen von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen sind mit EU-Recht unvereinbar.“ Statt rechtlich fragwürdiger Scheinlösungen, so Stäblein, braucht es gemeinsame menschenrechtliche Antworten – ganz im Geiste eines offenen und solidarischen Europas.
Was wir gewinnen, ist fraglich; was wir verlieren, liegt auf der Hand: das kostbare Vertrauen in die Freiheit, die Europa einst stark gemacht hat. Die Rückkehr der Schlagbäume markiert keinen Triumph der Sicherheit, sondern eine Niederlage des offenen Europas. Wer das einmal erlebt hat, weiß, wie viel mehr es bedeutet als Wartezeiten im Stau. Die Freiheit, Grenzen zu überwinden, ist das Fundament unseres Zusammenlebens. Geben wir das auf, verlieren wir mehr als nur Zeit. Wir verspielen die Zukunft Europas.
Bernd Becker ist einer der drei Herausgeber:innen von evangelische-zeitung.de.
