Santiagos Erzbischof Celestino Aos bietet an, die Kirche könne anonyme Hinweise auf während der Pinochet-Diktatur verschwundene Menschen entgegennehmen. Präsident Gabriel Boric begrüßt den Vorstoß.
Santiagos Erzbischof, Kardinal Celestino Aos, hat der chilenischen Gesellschaft einen Vorschlag zur Suche nach vermissten Diktatur-Opfern unterbreitet. Während eines öffentlichen Gebets am Montag (Ortszeit), an dem auch Regierungsvertreter teilnahmen, sagte er: “Brüder, die über Informationen verfügen – wir bitten Sie, um der leidenden Angehörigen und um Ihrer selbst willen diese Informationen weiterzugeben. Wir als katholische Kirche sind bereit, die Informationen entgegenzunehmen und sie anonym an die Behörden weiterzugeben.”
Gemeint sind mit dem Aufruf Hinweise auf das Schicksal der während der Diktatur von General Augusto Pinochet (1973-1990) verschwundenen Personen. Der Erzbischof appellierte an mögliche Mitwisser, ihr Gewissen zu erleichtern und betroffenen Familien Klarheit zu verschaffen. Die Kirche wolle mithelfen, die schweren Menschenrechtsverletzungen aufzuklären.
Die Bilanz der Diktatur-Zeit: Vorsichtige Schätzungen gehen von 2.095 Ermordeten und Hingerichteten aus, von 1.102 spurlos Verschwundenen, rund 250.000 Exilanten und mehr als 27.000 politischen Gefangenen und Folteropfern. Vor allem das Schicksal der Verschwundenen bewegt die Chilenen bis heute.
Der linksgerichtete Präsident Gabriel Boric begrüßte in einer ersten Reaktion den Vorstoß des Kardinals. Die Initiative knüpft an historische Vorbilder an: Mit dem 1976 von Santiagos damaligem Erzbischof Raul Silva Henriquez eingerichteten “Vikariat der Solidarität” hatte die Kirche eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Diktaturverbrechen übernommen. Die Kirche leistete damals politisch Verfolgten und ihren Familien Beistand.