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Chile im Lithiumrausch – mit Widerstand

Eine harte, braun-weiße Kruste erstreckt sich im Norden Chiles kilometerweit über den Salzsee von Atacama. Nur am Rand sind kleine Lagunen zu erkennen, während in der Mitte des Sees Pumpen unentwegt lithiumhaltige Sole nach oben befördern. Lithium wird zur Herstellung von Batterien benötigt und gilt als Schlüsselrohstoff für die Energiewende.

Derzeit kommt ein Viertel des weltweiten Lithiums aus Chile – nach den Plänen der Regierung soll das südamerikanische Land Australien in den kommenden Jahren als größten Produzenten überholen. Doch nicht alle sind darüber glücklich.

„Wir wurden nie gefragt, ob wir diesen Bergbau hier haben möchten“, sagt Alexis Romero, der Vorsitzende des Rates der Völker Atacamas (CPA). Der Vereinigung gehören 18 indigene Gemeinden an, die Lickan-Antay, die im Tal des Salzsees leben. Seit Jahrtausenden betreiben sie auf 2.500 Metern Höhe Landwirtschaft an den wenigen Bächen in der Wüste.

Schon heute leiden die Lickan-Antay unter der durch den Klimawandel verursachten Trockenheit. „Wir können mittlerweile nur einmal im Monat unsere Felder gießen, meine Maiskolben werden deshalb immer kleiner“, sagt Nancy Ramos, während sie auf dem zentralen Platz des Dorfzentrums von San Pedro de Atacama ihr Gemüse verkauft. Der Bewässerungskanal, aus dem sie schöpfe, führe immer weniger Wasser mit sich. Dafür macht Ramos den Bergbau verantwortlich. „Sie verbrauchen zu viel Wasser.“

Wie viel, darüber wird gestritten. Der Indigenen-Rat behauptet, die Lithiumindustrie habe in 30 Jahren mehr Wasser verbraucht, als die Gemeinde San Pedro de Atacama mit mehreren verstreuten Dörfern und rund 11.000 Einwohnern in 1.200 Jahren nutzen würde. Der chilenische Chemiekonzern SQM hält mit einer von BASF und BMW finanzierten Studie dagegen: Man nutze nur zehn Prozent des in der Region verbrauchten Wassers. Hauptverbraucher seien der traditionelle Kupfer- und Gold-Bergbau mit 50 Prozent und die Landwirtschaft mit 30 Prozent.

Laut Denise Kirschner, zuständig für Außenangelegenheiten bei SQM, ist der Wasserverbrauch trotz steigender Lithiumproduktion zurückgegangen. „Derzeit beziehen unsere Pumpen am Rand des Salzsees nur die Hälfte der gesetzlich nutzbaren Menge“, erklärt sie. Dank neuer Technologien wolle man außerdem bis 2028 die Sole-Extraktion auf die Hälfte reduzieren. Bislang lassen die Unternehmen das Wasser der Sole in der Luft verdunsten, damit der Lithiumgehalt in der Lösung steigt. Das Konzentrat wird in Raffinieren weiterverarbeitet.

Allerdings habe die Entnahme der Sole scheinbar zu Schäden im Salzsee geführt, sagt Francisco Mondaca, Leiter der Umwelteinheit des Indigenen-Rates. Dieses Gremium, das zusammen mit internationalen Forschenden das Ökosystem um den Salzsee beobachtet, wird von den Abgaben der Minenunternehmen an die indigenen Gemeinden finanziert. „Dadurch können wir unabhängig von den Unternehmen unsere eigenen Daten sammeln.“

Und die hätten Beunruhigendes ergeben, erläutert Mondaca. Einer neuen Studie zufolge habe sich die Kruste des Salzsees in unmittelbarer Nähe zu den Solebrunnen der Unternehmen abgesenkt. „Im Untergrund des Salzsees befindet sich ein komplexes Gleichgewicht aus Sole und weniger salzigem Wasser, das vermutlich durch das Abpumpen gestört wurde“, erklärt Mondaca. Das labile Ökosystem könnte geschädigt werden.

Deshalb geht der Indigenen-Rat derzeit juristisch gegen das US-amerikanische Lithiumunternehmen Albemarle vor, das neben SQM den begehrten Rohstoff im Atacama-Salzsee abbaut. Zwar habe sich das Verhalten der Bergbauunternehmen laut in den vergangenen Jahren verbessert, sagt CPA-Präsident Romero. Doch dabei handele es sich um rechtliche Pflichten, die die Unternehmen nun erfüllen, und nicht um guten Willen.

Nach der Ankündigung von Chiles Präsident Gabriel Boric, den Lithiumabbau mit staatlicher Beteiligung deutlich zu erweitern und auf weitere Salzseen auszudehnen, gingen die Einwohner der Region auf die Barrikaden. Sie besetzten Anfang 2024 die Zufahrtswege zu den Abbaustätten. Am liebsten würden die indigenen Gemeinschaften den Ausbau verhindern, sagt Romero – ansonsten zumindest mitgestalten.