Sind Roboter die Erzieher von morgen? Schon 2018 kam an mehr als 600 chinesischen Kindergärten Keeko zum Einsatz: Der Roboter erzählte den Kindern Geschichten, stellte Logikaufgaben und gab für korrekte Antworten zur Belohnung blinkende Herzchenaugen. Mit ChatGPT und Erziehungsapps wie Vroom oder Muse ist Künstliche Intelligenz (KI) inzwischen auch in Deutschland deutlich näher gerückt – auch wenn sie mit Humanoiden wenig gemeinsam zu haben scheint.
“Bislang übernimmt KI eher isolierte Aufgaben”, sagt Katharina Weitz, Forscherin am Lehrstuhl für Menschzentrierte Künstliche Intelligenz an der Universität Augsburg. “Als digitaler Tutor kann sie Kindern Aufgaben stellen und Feedback geben. Mit KI lässt sich zum Beispiel automatisiert die Schwierigkeitsstufe anpassen.”

Die Idee intelligenter Lernprogramme ist nicht neu. 1973 entwickelten die beiden Informatiker Derek H. Sleeman und J. R. Hartley ein Konzept für Intelligente Tutoring-Systeme. Heute lassen sich mit KI für Schüler personalisierte Aufgaben generieren; der Schwierigkeitsgrad passt sich automatisch an den Wissensstand an. Erzieher gestalten mit KI etwa Wochenpläne, Eltern holen sich Tipps für die Freizeitgestaltung.
Unliebsame Aufgaben werden an die KI abgegeben
Weitz rät dazu, Kinder mit konkreten Aufgaben an KI heranzuführen. “Die Nutzung von KI in der Erziehung sollte zielgerichtet sein. Das ist beim Einsatz von Medien wie Fernsehen oder Computer nicht anders”, sagt sie. “Manchmal benutzen Eltern den Fernseher, um ihre Kinder ‘abzustellen’. Wenn sie keine Lust auf Grammatiküben haben, können sie die unliebsame Aufgabe heute an die KI abgeben. Das sollte natürlich nicht so sein.” Sie fordert Schulungen für Eltern wie auch Erzieher.
Aktuelle Forschungen zeigen bei Eltern wie Erziehern Wissenslücken, so etwa eine 2023 veröffentlichte Forsa-Umfrage unter Eltern im Auftrag des Bildungsverlages Raabe. Fast drei Viertel der Befragten wollten von der Schule ihres Kindes mehr über den möglichen Einsatz von KI im Unterricht informiert werden. Rund 25 Prozent aller Befragten fühlten sich nach eigenen Worten überfordert. Eltern hätten hauptsächlich Angst vor Kontrollverlust, sagt Weitz. “Kinder können heute per Knopfdruck über KI-Systeme wie ChatGPT Texte schreiben. Das macht vielen Eltern und Erziehern Sorgen.”
Bots: auf Knopfdruck Gute–Nacht-Geschichten
Kritiker warnen außerdem davor, persönliche Momente mit dem Kind an KI abzugeben. Bots wie ChatGPT erzählen schon jetzt auf Knopfdruck Gute–Nacht-Geschichten. Eine Maschine könne aber Mama und Papa nicht ersetzen, sagt Kinderbuchautorin Gudrun Mebs. “Beim Erzählen oder Vorlesen entsteht in den Stimmen eine Wärme, die ganz speziell für dieses Kind ist”, mahnt die Schriftstellerin. “Eine intime Situation, die eine Maschine nicht liefern kann.” KI könne man außerdem “nicht voll vertrauen, was Fakten anbelangt”. Sie könne “auch Quatsch erzählen”.
Forscherin Weitz rät dazu, KI kritisch zu benutzen. Wie zuverlässig Künstliche Intelligenz ist, hänge von den Quellen ab. “Im besten Fall beruhen die Informationen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen”, sagt sie. “Wie seriös eine Quelle ist, können aber nicht alle Eltern gut einschätzen.” Erzieher und Eltern sollten sich genau informieren, wie KI-Systeme funktionieren und welche Gefahren sie mit sich bringen können.
“Nicht alles, was geht, möchte man auch”
Chancen sieht Weitz vor allem in der Individualisierung von Lernen und Erziehung. Aufgaben ließen sich über KI an die Bedürfnisse einzelner Kinder automatisch anpassen. KI-Erziehungstools für Eltern sieht Weitz als Möglichkeit, komplizierte Inhalte in einfache Sprache zu übersetzen: “Wenn KI Forschungsergebnisse auf verständliche Art kommuniziert, ist das wunderbar.”