Am Montagabend setzt der Bundestag seine Beratungen zur begrenzten Legalisierung von Cannabis fort. Im Gesundheitsausschuss steht die Anhörung von Sachverständigen auf dem Programm. Die Expertinnen und Experten werden nicht mit Kritik sparen. Das geht aus den Stellungnahmen hervor, die den Bundestagsabgeordneten bereits vorliegen. Der Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stößt bei den Ärzten auf Ablehnung und bei Richtern und Staatsanwälten auf starke Skepsis. Anwälte begrüßen ihn, fordern aber Verbesserungen. Sucht-Experten warnen vor einer Überlastung der Therapie-Einrichtungen.
Lauterbachs Entwurf zufolge soll Erwachsenen der Besitz von 25 Gramm Cannabis und der Anbau von drei Hanfpflanzen erlaubt werden. Über nicht kommerzielle Vereine sollen der Anbau und die Abgabe der Droge ermöglicht werden. Für Jugendliche unter 18 Jahren bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten. Die Teil-Legalisierung wird ergänzt durch Detailregeln zum Jugendschutz, zur Prävention und zur Kontrolle der gesetzlichen Vorschriften.
Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnt die Teil-Legalisierung ab und kritisiert die Altersgrenze von 18 Jahren. Der Konsum von Cannabis erhöhe im jungen Erwachsenenalter das Risiko von Gedächtnisschäden, heißt es in ihrer Stellungnahme. Angesichts der Gesundheitsgefahren fordert die BÄK, von „einer Cannabis-Legalisierung Abstand zu nehmen und stattdessen konsequent auf eine umfassende Suchtprävention zu setzen.“ Ärztepräsident Klaus Reinhardt ist überzeugt, dass die Teil-Legalisierung insgesamt zu mehr Konsum führt und die Risiken verharmlost.
Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte lehnt die Legalisierungspläne ab. Die Freigabe für Erwachsene werde „schwerwiegende negative Auswirkungen“ auf Jugendliche haben, sagen sie voraus. Die geplanten Vorgaben zum Jugendschutz und zur Prävention „fallen angesichts des Risikos eines deutlich ausgeweiteten Marktes und der Normalisierung von Cannabiskonsum nicht ins Gewicht“, urteilt der Berufsverband.
Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin gibt zu bedenken, dass Suchthilfe und Psychiatrie bereits überlastet seien. Es sei nun zu erwarten, dass die Zahl der Vergiftungen und Psychosen nach einer „kontrollierten Freigabe“ zunehme, wie Studien für verschiedene Länder zeigten, die den Cannabis-Konsum liberalisiert haben. Das Deutsche Krebsforschungszentrum warnt, dass die Krebsgefahr zunehme, weil das Cannabis-Rauchen die Bemühungen der Tabakprävention zunichtemachen könne. Im Alter zwischen 18 und 25 Jahren werde Cannabis fast ausschließlich geraucht; 80 Prozent der jungen Erwachsenen rauchten es vermischt mit Tabak.
Aus Sicht von Juristen handelt es sich bei Lauterbachs Plänen um einen völlig unzureichenden Gesetzentwurf. Das Cannabis-Gesetz werde, anders als behauptet, nicht zu einer Entlastung der Justiz führen, kritisiert der Deutsche Richterbund, der größte Berufsverband für Richter und Staatsanwälte. Vielmehr werde das Gesetz zu aufwändigen Ermittlungen führen, bei gleichzeitig geringeren Erfolgsaussichten.
Der Richterbund warnt unter anderem, es sei mit einem „Missbrauch von Anbauvereinigungen“ durch die organisierten Drogenkriminalität zu rechnen sowie mit einer Ausweitung des Schwarzmarkts. Der Kinder- und Jugendschutz werde durch niedrigere Strafen für die Abgabe von Cannabis an Jugendliche geschwächt. Zugleich sei bei Jugendlichen ein erhöhter Konsum zu erwarten, weil der Besitz von bis zu 25 Gramm zwar verboten bleibt, aber nicht mehr bestraft werden soll, kritisiert der Richterbund. Der Kauf der Droge auf dem Schwarzmarkt werde attraktiver.
Demgegenüber begrüßt der Deutsche Anwaltsverein die Legalisierungs-Bemühungen. Künftig unterscheide das Recht zwischen Cannabis-Delikten und Straftaten im Zusammenhang mit harten Drogen. Das sei richtig, ebenso wie das geplante Erlassen von Strafen, die nach neuem Recht nicht mehr verhängt würden.