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Buchtipp: Zwei Monde von Maria Kuncewiczowa

Unser Autor Jürgen Israel empfiehlt das Buch “Zwei Monde”, in der die Autorin Maria Kuncewiczowa in 20 Kurz­geschichten ein poetisches Bild der Kleinstadt zeichnet, in der sie lange gelebt hat.

Ausschnitt aus Buchvover "Zwei Monde"
Ausschnitt aus Buchvover "Zwei Monde"Promo / Guggolz-Verlag

Der Titel des Romans „Zwei Monde“ der polnischen Schriftstellerin Maria Kuncewiczowa (1895–1989), weist bereits auf die Problematik nicht nur dieses Buches, sondern auch unseres eigenen Lebens hin: Natürlich umkreist nur ein Mond unsere Erde, aber er sieht für Verliebte anders aus als für Verzweifelte. Maler, die das ostpolnische Städtchen Kazimierz Dolny wegen seiner landschaftlichen Besonderheiten besuchen, sehen den Mond anders als die Bettlerin Agata.

Nachtschwärmer erleben das Dunkel und die Stille anders als diejenigen, die tagsüber schwer gearbeitet haben. Für die einen ist es „angenehm, den erschöpften Muskeln nachzugeben“ und sich hinzulegen, während andere die nächtliche Geselligkeit genießen.

Verliebte und Verzweifelte werden nicht ausgespielt

Weit entfernt davon, die eine Lebensweise gegen die andere moralisierend auszuspielen, zeichnet Kuncewiczowa in 20 Kurz­geschichten ein poetisches Bild der Kleinstadt, in der sie lange gelebt hat. Die einzelnen Erzählungen fügen sich zusammen, immer wieder treten dieselben Personen in anderen Zusammenhängen auf. Ihre Charaktere werden plastischer und das Bild ihres Zusammenlebens differenzierter.

Eine Zentralgestalt ist der blinde Michal. In einer Weihnachtspredigt hört er, wie der Priester die Gläubigen als Blinde bezeichnet, die „Gott hier auf Erden nicht zu schauen“ vermögen. Er schämt sich seiner Blindheit nicht mehr, „denn ringsum gab es gar nichts als Blinde“. Durch die Weihnachtspredigt ermutigt, erklärt er später, ohnehin seien „alle Menschen – die Gesunden wie die Krüppel – Brüder“.

Kraftvoll und zart erzählt

Der Maler Jeremi repräsentiert die Gruppe der Besucher. Feinfühlig nimmt er „das Flüstern von Göttlichkeit durch die Geräusche unzähliger Geschöpfe, durch das Rauschen aller Blätter, aller lebendigen und gestorbenen“ wahr.

Es soll nicht der Eindruck entstehen, es handle sich um ein frömmlerisches, versponnenes Buch. Im Gegenteil, die Autorin erzählt kraftvoll und zart, spannend und behutsam. Sie zeichnet das vielschichtige Bild einer vergangenen Welt.

Maria Kuncewiczowa, Zwei Monde, Guggolz-Verlag, Berlin 2023, 249 Seiten, 22 Euro.