Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit. Lautes Hufgetrappel erklingt auf dem Kopfsteinpflaster, schnell treten die Besucher einen Schritt zurück, um eine Kutsche durch die enge Gasse zu lassen. Sie sind auf dem Weg zum Jahrmarkt, wo sie sich in die Schiffsschaukel setzen oder ihr Glück beim Hufeisenwerfen versuchen wollen. „Seid gegrüßt, Herrschaften“, ruft ein junger Bursche einer Familie zu und lüftet seinen Hut.
Geschichte selbst erleben und greifbar machen, das ist das Konzept des Freilichtmuseums „Den Gamle By“ in Aarhus. 2017 stellt es die Geschichte der Ostseestadt aus. Denn das dänische Aarhus ist – neben Paphos auf Zypern – „Europäische Kulturhauptstadt“.
Nur etwa einen Kilometer entfernt vom Freilichtmuseum beginnt die Zukunft: Das ARoS-Museum ist eines der wichtigsten Kunstmuseen Nordeuropas und gibt Aarhus einen futuristischen Touch. Auf dem Dach des Gebäudes hat der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson einen begehbaren bunten Regenbogen-Gang installiert. „Your Rainbow Panorama“ färbt den Blick auf die jütländische Stadt in unterschiedlichen Farben.
„Let‘s Rethink – lasst uns umdenken“ ist das Motto
Aarhus will 2017 den Bogen von der Vergangenheit über die Gegenwart bis hinein in die Zukunft schlagen. „Let‘s Rethink – lasst uns umdenken“, fordern die Organisatoren von den Besuchern. Es geht um den Klimawandel, soziale Ausgrenzung und die Wirtschaftskrise. „Aarhus 2017“ soll die Gäste anregen, über die Vergangenheit nachzudenken und die Zukunft gemeinsam neu zu gestalten.
Ein selbstbewusster, ambitionierter Ansatz für eine Stadt mit rund 320 000 Einwohnern. Die „Stadt des Lächelns“, wie die Dänen Aarhus liebevoll nennen, hat dafür die 19 angrenzenden Gemeinden miteinbezogen. Ausstellungen werden auf Museen in der Region verteilt. Die Schau „Sieben Todsünden“ etwa widmet sich den christlichen Grundsätzen und fragt nach heutigen Werten.
Besonders handlich ist das Programm des Kulturhauptstadtjahrs nicht: In gedruckter Form wiegt es fast 2,5 Kilogramm, bietet aber ein breites Angebot an Konzerten, Ausstellungen, Theateraufführungen und Aktionen. Die Hälfte davon ist kostenlos. Selbst für echte Aarhuser eine Herausforderung, meint Lene Øster, Regional-Managerin von „Aarhus 2017“.
Zumal Aarhus auch kulinarisch einiges zu bieten hat. 2017 ist die Stadt zusätzlich „Europäische Gastronomieregion“. Die Organisatoren verbinden das Kulturhauptstadt-Motto mit hochwertiger Küche. Im „Katastrophen Menü: Dystopie und Utopie“ entwerfen Biologen, Wissenschaftler und Chefköche Szenarien, was wir in Zukunft essen werden. Sie diskutieren: Was kommt nach einer Flutkatastrophe auf den Teller? Und wie wird der Klimawandel unsere Ernährung verändern? Anschließend kochen die Chefköche die Entwürfe und laden zu einem Drei-Gänge-Menü der besonderen Art ein.
Auch nach Ende des Kulturhauptstadtjahres soll nicht alles vorbei sein: „Wir möchten Netzwerke und Kooperationen schaffen, die uns helfen, die Zukunft zu gestalten“, sagt Lene Øster. Deshalb begleitet die Universität Aarhus die Vorbereitungen seit 2008. Eine Studie soll zeigen, was nach 2017 bleibt und ob die Stadt von der Großveranstaltung profitiert hat.
Ausgefallene Architektur und weltbeste Bibliothek
Schon jetzt ist klar: Die zweitgrößte Stadt Dänemarks wandelt sich. Dafür genügt ein Blick auf die Skyline. Auf dem früheren Hafengelände entsteht ein neuer Stadtteil – Aarhus Ø. Moderne, ausgefallene Architektur prägt das Viertel. Schon von Weitem sind die „Eisberge“ sichtbar, die in der Ostsee zu treiben scheinen – der „Isbergejet“ ist eine Wohnanlage. Nicht nur Vermögende genießen hier die grandiose Aussicht, sondern auch Studierende und Geringverdiener.
Zum neuen Hafengelände gehört auch die Stadtbibliothek Dokk1. Sie wurde 2016 in einem internationalen Wettbewerb als beste öffentliche Bibliothek der Welt ausgezeichnet. Bücher sind hier Nebensache. Auf fünf Ebenen können die Besucher studieren, einen Kaffee trinken, ihren Pass verlängern lassen oder sich mit Videospielen beschäftigen. Und zwischendrin erklingt eine Glocke – immer dann, wenn in Aarhus ein Kind geboren wird.
Informationen der Stadt Aarhus: http://www.visitaarhus.de/de/daenemark/tourist-in-aarhus. Das komplette Programm von „Aarhus 2017“: http://www.aarhus2017.dk/de/. Aktuelle Ausstellungen im Kunstmuseum ARoS: http://de.aros.dk/.