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Britisches Parlament für Legalisierung von Suizidbeihilfe

Nach Frankreich sieht es nun auch in Großbritannien nach einer Legalisierung von Suizidbeihilfe aus. Das Unterhaus in London stimmte am Freitag zu – nach einem erneuten Änderungsantrag.

Die Abgeordneten des britischen Unterhauses haben mehrheitlich für eine Legalisierung von Beihilfe zum Suizid gestimmt. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde am Freitag nach mehrstündiger Debatte in Dritter Lesung mit 314 zu 291 Stimmen angenommen. Unheilbar kranke Erwachsene in England und Wales, deren Lebenserwartung weniger als sechs Monate beträgt, sollen dadurch unter strengen Bedingungen Zugang zu Selbsttötungsmitteln bekommen.

Bisher gilt Assistenz zum Suizid als Straftat, die mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden kann. Vor Inkrafttreten muss nun auch das Oberhaus des Parlaments (House of Lords) über das “Terminally Ill Adults (End of Life) Bill” beraten und zustimmen. Dies ist nach Einschätzung politischer Beobachter sehr wahrscheinlich.

Kritik an einer Freigabe von Suizidbeihilfe war in den vergangenen Monaten nicht zuletzt von Kirchen und Religionsgemeinschaften gekommen. Ein Recht zu sterben könne allzu leicht dazu führen, dass schutzbedürftige Menschen das Gefühl bekommen, sie hätten eine “Pflicht zu sterben”, hieß es etwa in einem Offenen Brief. Unter anderen der Kardinal von Westminster, Vincent Nichols, Oberrabbiner Ephraim Mirvis, die anglikanische Londoner Bischöfin Sarah Mullally und Vertreter von Sikhs, Hindus und Muslimen hatten darin mehr Palliativmedizin und Hospizversorgung statt Sterbehilfe gefordert.

“Zu viele Abgeordnete betrachten dieses Gesetz in Zusammenhang mit einer Linderung des Leidens einzelner Menschen am Lebensende, ohne die vielen Tausenden zu berücksichtigen, deren Leben dadurch bedroht wird”, hatte Mike Smith, Sprecher von Not Dead Yet (Noch nicht tot), einer Organisation für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, vor der Parlamentsabstimmung erklärt. Es gelte nicht nur, die Details des Gesetzesentwurfs zu berücksichtigen, sondern auch das Umfeld und die Realität, in die er eingeführt wird. Es gebe eine reale Sorge, dass Sterbehilfe “de facto zur ersten Option wird, weil die bestehende Infrastruktur dem Druck nicht gewachsen ist”, sagte Smith der Zeitung “The Tablet”.

Für die Abstimmung im Unterhaus hatten die Parteien wie schon bei den vorangegangenen Lesungen den Fraktionszwang aufgehoben. Das Gesetz wurde 2024 von einer Labour-Abgeordneten eingebracht. Während der Beratungen in den Ausschüssen und im Plenum gab es in den vergangenen Monaten etliche Änderungsanträge. Noch am Freitag fügten die Abgeordneten ein landesweites Verbot von Werbung für assistierten Suizid hinzu.

Konkret sieht die Regelung nun vor, dass schwerstkranke Patienten über 18 Jahre einen Antrag auf ein tödliches Medikament stellen können. Ihre Lebenserwartung muss dabei weniger als sechs Monate betragen, und sie müssen seit mindestens zwölf Monaten bei einem Hausarzt registriert sein. Zwei Ärzte müssen dem Antrag unabhängig voneinander zustimmen; ebenso ein Gremium, dem ein Jurist, ein Psychiater und ein Sozialarbeiter angehören.