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Braune Suppe vor spanischer Küste beunruhigt Urlauber

Ein Besuch der Strände Südspaniens ist nicht immer eine Freude. Es gibt Tage, an denen das Mittelmeer schlicht zu dreckig zum Baden ist. Die Universität der Küstenstadt Malaga hat das Wasser untersucht.

Es ist heiß. So sehr, dass man regungslos dasitzt und sich aufs Denken beschränkt. Hochsommer in Südspanien. Hier sind nach wie vor Schulferien, und weiterhin landen täglich Touristen aus aller Welt am internationalen Flughafen der Küstenstadt Malaga. Um die dreißig Grad sind es tagsüber an der Küste; wegen der hohen Luftfeuchtigkeit fühlt es sich aber um einiges heißer an.

So rasch, wie es die Hitze zulässt, marschiert man also zum Strand, legt das Badetuch aus, die Kleider ab, läuft aufs Wasser zu, dürstend nach Abkühlung und – bremst ab: Dreck schwimmt im Meer. Es sieht unappetitlich aus. Man mag nicht ins Wasser. Frust in der Hitze.

Plastikteile, Folien, seifenartige Schäumchen, Fäden, Papier, Ohrenstöpsel und weitere, nicht identifizierbar Abfallstücke: Dies alles schwebt im Wasser, manchmal über mehrere Meter der Küste entlang. Auch gibt es Tage, an denen eine braune Sülze auf der Meeresoberfläche liegt oder sich dem Plastikabfall beimischt. Ein wüst aussehender Film, der breitflächig dahindümpelt. In Malaga nennt man diese oft schäumende Masse “nata”, angelehnt an das Wort für Schlagsahne.

Der oder die Unwissende blickt überfordert aufs unsaubere Meer. Was ist das alles? Vor allem das braune Zeugs? Und woher kommt dieser Abfall? Etwa von den vorbeifahrenden Schiffen?

Hypothesen, wieso das Meer zeitweise verunreinigt ist, gibt es in und um Malaga einige: Es liege an den geografischen Begebenheiten der Buchten, an den Algen, dem aufgewühlten Sand oder an fehlenden sanitären Einrichtungen. Viele Malaguenos sind überzeugt davon, dass die verdächtige braune Sülze menschlicher Kot sei. Einige sagen, mit dem Ansturm der Touristen in den Sommermonaten seien die Kläranlagen überfordert, so dass viele Fäkalien unbearbeitet ins Meer gelangten.

“Das kann ich kategorisch verneinen”, sagt Francisco Ignacio Franco Duro. “Wenn wir die ‘nata’ analysieren, finden wir nie Mikroorganismen, die mit Fäkalien in Verbindung gebracht werden können.” Franco Duro ist Professor für Küstenforschung an der Universität von Malaga (UMA). Mit seinem Team untersucht er seit 2017 die “nata” an den Stränden. Seither wurden über 300 Proben analysiert. Ergebnis: Die braunen Teppiche entstünden durch natürliche Prozesse, und zwar dann, wenn Meereswellen den Mineralstaub aus dem Sand wegspülten. Das Produkt: schwimmender Mineralschaum, der bräunlich gefärbt ist, und trübes Wasser – aber zu 100 Prozent unschädlich.

Man kann also bedenkenlos baden gehen. Aber das müsste man erst einmal wissen. Schon manche Reisende haben gesagt, an diese Strände würden sie nicht zurückkehren. Der 52 Jahre alte Wissenschaftler betont, die Qualität des Wassers an der Küste Malagas sei gemäß den europäischen Rechtsvorschriften “ausgezeichnet”.

Plastik und anderer Abfall im Wasser sind ein anderes Thema – und schädlich. Franco Duro dazu: “Dieser Müll entsteht unter anderem durch das mangelnde Umweltbewusstsein einiger Strandbenutzer. Sie lassen Abfälle wie Plastikflaschen, Bierdosen und Zigarettenstummel zurück, die dann vom Meer weggespült werden.”

“Und Damenbinden und Feuchttücher” fügt Sebastian Martin Sanchez an, “Die sind ganz schlimm, sie treiben nicht an der Wasseroberfläche, sondern sinken auf den Meeresgrund.” Der ehemalige Student von Franco Duro ist hauptberuflich Fischer, wie vorher sein Vater, Großvater und Urgroßvater.

Der 58-Jährige hat über Jahre an der Küste entlang gefischt, kennt sie wie seine Westentasche und erinnert sich: “Als Kind kannte ich Plastikmüll im Meer und an den Stränden nicht.” Weil es keine solche Verpackungen gegeben habe. “Heute ziehe ich mit dem Fischfang immer viel Plastik und anderen Müll ins Schiff”, so Martin Sanchez. Das Gute: Mittlerweile könnten die Fischer diesen Müll in gewissen Häfen in Südspanien abgeben und bekämen sogar ein wenig Geld dafür.

Beeindruckend sind ältere Zeitungsartikel: So wurde 2012 ein zehn Meter langer Wal an der südspanischen Küste angeschwemmt. “Ein Pottwal ertrinkt an Plastik”, titelte seinerzeit die spanische Tageszeitung “El Pais”. Im Magen des toten Tieres wurden 18 Kilo Plastikmüll gefunden, 59 verschiedene Teile. Darunter Gartenschläuche, Blumentöpfe, Kleiderbügel.

Woher kommt solcher Müll? Fischer Martin Sanchez weiß, dass aus vorbeifahrenden Schiffen mittlerweile weniger Abfall ins Meer geworfen wird – zumindest im Mittelmeerraum, wo streng kontrolliert wird. Er verweist auf die Länder gegenüber von Spanien, etwa auf Marokko und Algerien: Dort werde viel Müll einfach ins Meer gekippt. Das bestätigt Professor Franco Duro: “Und die Meeresströmungen bringen den Müll nach Spanien. An den Stränden finden wir nicht selten Wasserflaschen marokkanischer Herkunft.”

Während der Sommermonate sieht man oft spezielle Boote an der Küste hin- und herfahren. Bis Mitte September werden sie von öffentlichen Stellen Malagas losgeschickt, um das Wasser zu säubern. Vor allem wegen der Touristen. Von diesen Schiffen wurden auch schon ein Sofa oder Kühlschränke aus dem Wasser gefischt.

“Diese Reinigungsboote leisten einen wichtigen Beitrag, um den Plastikmüll zu beseitigen”, sagt Franco Duro. “Damit die Meeresökosysteme jedoch sauber gehalten werden, müssen die Bevölkerung und die Touristen angehalten werden, mitanzupacken.”

Manchmal vergehen bis zu drei Stunden, bis die Verunreinigungen im Meer von den Wellen an den Strand getragen werden und dann teils versickern, sei es “nata” oder richtiger Abfall. Hie und da, wenn die Hitze kaum mehr auszuhalten ist, spritzen die Strandgäste den Dreck auf der Wasseroberfläche mit der Hand weg, bahnen sich einen Weg durch die Plastikteilchen und kühlen sich trotz allem kurz ab. Kein Wunder bei diesen Temperaturen: Zuletzt kletterte das Thermometer mehrmals auf über 40 Grad.