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Botschaften von früher in Schlagsdorf

20 Jahre hat die Sanierung der Kirche in Schlagsdorf an der Grenze zu Schleswig-Holstein gedauert. Jetzt konnte gefeiert werden. Bei der Turmsanierung wurde auch die goldene Kugel geöffnet.

Örtliche Dachdecker holten die goldene Kugel vom Kirchturm von Schlagsdorf
Örtliche Dachdecker holten die goldene Kugel vom Kirchturm von SchlagsdorfHanna Blumenschein

„Es war spannend, in den Zeitungen von 1976 und 1896 zu blättern, die Anzeigen von damals zu lesen“, erzählt Pastorin Hanna Blumenschein von der Kirchengemeinde Schlagsdorf und schmunzelt. „Morsche Margarine schmeckt fast so gut wie Butter“, stand da zum Beispiel. Die Zeitungen steckten zusammen mit anderen Unterlagen in der goldenen Turmkugel auf der Kirche. Diese wurde im Rahmen der Sanierung neu vergoldet.

Über 20 Jahre hat sich die Turmsanierung in Schlagsdorf gezogen. „Alles begann mit dem Steineverkauf zur Erneuerung der Westfassade“, erzählt die Pastorin, die seit 2016 hier ist. 2018 dann die Not­sicherung des Turmes. Dank 275.000 Euro Fördermitteln aus dem Strategiefonds des Landes konnte dieses Jahr vom Traufpflaster bis zum Wetterhahn weiter saniert werden. Der Dachstuhl wurde instand gesetzt, die Fassade und Fenster erneuert, das Dach neu eingedeckt. „Veranschlagt war für alles eine halbe Millionen Euro. Wir sind daruntergeblieben“, berichtet sie.

Dokumente mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz übersetzt

Mitte September konnte die Gemeinde die Fertigstellung ihrer Kirche groß feiern. Ein Barfußpfad aus Material, das bei der Restaurierung verwendet wurde, führte auf dem Kirchengelände zur Sakristei. Zeitreisetafeln mit Kopien der früheren Dokumente aus der Turmkugel konnten bestaunt werden.

„Die Dokumente von 1869 waren in Sütterlin geschrieben. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz konnte ich ganz gut die ersten zwei Seiten übersetzen“, erzählt Pastorin Blumenschein. Unter anderem über den Anlass der Kugelöffnung berichtete der damalige Pastor Eulenberg darin. „Nachdem ein Blitzschlag in dem Ratzeburger Dom am 19. August 1894 zu einem Brand geführt hatte, ordnete Friedrich Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz an, dass alle Kirchen mit Blitzableiter zu versehen sind“, schrieb er.

Kirchengemeinde Schlagsdorf: Kirche im Grenzgebiet

Interessant fand Pastorin Blumenschein auch einen Bericht aus der Zeitung von 1896: „Damals wurde ein Haus zwangsversteigert. Ich habe gerade eine 103-Jährige beerdigt und in ihrer Familien-Geschichte tauchte die Versteigerung genau dieses Hauses auf“, erzählt sie. „Es war spannend, sowas zu lesen: Momentaufnahmen von einem Tag aus einem Ort.“

Im Holz des Turms sind viele Namen aus unterschiedlichen Zeiten verewigt, etwa die der Konfirmanden aus DDR-Zeit, die die Glocken per Treten läuteten. Schlagsdorf war Grenzgebiet, gen Westen gibt es nur auf der Ebene der drei Glocken Fenster. Diese wurden zu DDR-Zeiten kontrolliert ­– wegen Fluchtgefahr.

Der Kirchturm von Schlagsdorf ist nach 20 Jahren fertig sanier
Der Kirchturm von Schlagsdorf ist nach 20 Jahren fertig sanierHanna Blumenschein

Eine Ausgabe der Schweriner Volkszeitung (SVZ) und der Kirchenzeitung von 1976 befanden sich auch in der Turmkugel. Sie waren im Rahmen der Dacherneuerung ab 1974 hineingewandert. Jetzt ist die Kugel neu gefüllt worden. Pastorin Blumenschein legte Euromünzen, die Namensliste der Steinspender, Grafiken zu Kirchengemeindemitgliedschaft und -entwicklung dazu, außerdem eine aktuelle Ausgabe der SVZ und der Kirchenzeitung, bevor die Kugel wieder verschlossen wurde. Nun leuchtet sie wieder an ihrem alten Platz in 6,70 Meter Höhe.

Zugezogene in Schlagsdorf fahren zu anderen Kirchen

Die Kirche ist das einzige Gotteshaus für zehn Dörfer. 600 Menschen zählen zur Gemeinde, 80 Gäste kamen zum Festgottesdienst und „danach noch Familien mit Mittagsschlafkindern“, erzählt Hanna Blumenschein. Schön findet sie das, die Bevölkerung rund um Schlagsdorf sei sehr gemischt. „Es gibt viele, die aus Schleswig-Holstein zugezogen sind. Sie sind mit der Kirche von Schlagsdorf nicht so verbunden, fahren zum Gottesdienst eher nach Lübeck.“

Die Anzahl der älteren Einwohner ist eher niedrig, „nachdem nach der Grenzziehung der DDR viele aus der Kirche austraten oder wegzogen“. Das merkt Pastorin Blumenschein heute unter anderem daran, dass die Geburtstagsbesuche weniger werden. „Aber unsere Krabbelgruppe boomt.“