Frankfurt a.M. (epd). Auch 500 Jahre nach seinem Tod bleibt sein Werk faszinierend und geheimnisvoll. An Hieronymus van Aken, der sich Bosch nannte, entzündet sich bis heute die Fantasie: Er malte schreckliche Monster und höllische Qualen. Doch nach allem, was die Forschung herausgefunden hat, war Hieronymus Bosch trotz seiner Horrorvisionen ein frommer und angesehener Mann. Am 9. August 1516 wurde er in der Sint-Jans-Kathedrale seiner niederländischen Heimatstadt 's-Hertogenbosch beigesetzt.
Im Bosch-Jahr 2016, das den Maler mit einer großen Ausstellung in Madrid und zuvor in 's-Hertogenbosch würdigt, liegt seine Biografie noch großteils im Dunkeln: Das Datum seiner Beisetzung gehört zu den wenigen verbürgten Fakten. Wann er geboren wurde, ist unbekannt, vermutlich zwischen 1450 und 1456. Das Wenige, was man über sein Leben weiß, ist schnell erzählt: Der Künstler gehörte zur Malerfamilie van Aken, die ursprünglich aus Aachen stammte, und wuchs in Den Bosch auf.
Offenbar erlernte er – wie sein ältester Bruder Goessen – das Malen in der väterlichen Werkstatt. Ob Hieronymus die Kunst Italiens oder der Niederländer in Antwerpen oder Gent kannte, ob er überhaupt jemals eine Reise unternahm, weiß man nicht. 1481 heiratete er die begüterte Aleid van de Mervenne, bewohnte mit ihr ein Haus am Tuchmarkt in Den Bosch und gehörte als wohlhabender und geschätzter Meister zu den Honoratioren der Stadt.
Für den späteren Ruhm Boschs war der Aufstieg durch die Heirat nicht unerheblich: 1488 trat er der «Bruderschaft unserer Lieben Frau» bei, in der die soziale und religiöse Elite der Stadt versammelt war. Das bescherte ihm reichlich Aufträge.
So malte er seine «Anbetung der Könige mit Stiftern» (1496/97) für den Antwerpener Tuchhändler und Patrizier Peeter Scheyve. Das fein gestaltete Triptychon mit biblischen Querverweisen – etwa auf den Antichrist als Jesu Gegenspieler – wurde zu einem seiner größten Erfolge. Davon zeugen die fast zwei Dutzend Kopien.
Ein «kirchentreuer Mensch» sei Bosch gewesen, kein «Ketzer» wie bisweilen in der Forschung behauptet, sagt der Hamburger Ausstellungs-Kurator Michael Philipp (Bucerius Kunst Forum). Mit ihm sei das moralische Verhalten in der Welt zum Thema der Kunst geworden. Ein Beispiel dafür ist etwa die «Große Kreuztragung (1492-1498): Nicht das Leiden Christi steht hier im Fokus, sondern das Vorbild geduldigen Ertragens.
Als Hauptmerkmal der Kunst Boschs galt jedoch früh das Groteske, Hybride oder Monströse. In seinen berühmtesten Bildern «Die Versuchung des Heiligen Antonius» (um 1502), «Garten der Lüste» (um 1503) und «Das Jüngste Gericht» (um 1506) wimmelt es von dämonischen Mischwesen, halb Mensch, halb Tier oder Ding, die die zur Hölle Verdammten auf grausamste Weise quälen.
Ein Künstler, der Fisch-Vogel-Mensch-Kreuzungen kreiert und nackte Nonnen malt, müsse ein Häretiker sein, nahmen einige Forscher an. Andere spekulierten aufgrund der detailgetreuen Abbildung einer Hanfpflanze, dass Bosch unter Drogeneinfluss malte. Wissenschaftlich belegen ließ sich das alles nicht – wohl aber, dass es in Boschs Bildern neben ironischen und kirchenkritischen Aspekten um Allegorien geht.
Das Monströse markiere das grausame Wirken des Teufels und veranschauliche, wie die Sünde den Menschen deformiere, erklärt der Kunsthistoriker und Bosch-Biograf Stefan Fischer. Für seine Monster dürfte Bosch auf Darstellungen mittelalterlicher «Bestiarien» zurückgegriffen haben. Das waren allegorische Tierbücher, die der moralisch-religiösen Belehrung dienten. Auch Drolerien, die karikaturhaften Figuren an gotischen Domen, haben ihn wohl beeinflusst.
Bosch ging es darum, das Abgründige, Böse und Erlösungsbedürftige im Menschen sichtbar zu machen. Er bediente dabei wohl auch wissentlich die Freude am wohligen Schauer. Konsequent entwickelte er seine «Marke». Seine Bilder von Höllen und Eremiten waren weniger für Kirchen, als vielmehr zur Erbauung vermögender Stifter gedacht, wie Fischer in seinem Buch «Im Irrgarten der Bilder» erläutert. Den Ketzereivorwurf hält auch er für «absurd». Bosch ziele mit seinen Bildern auf einen Dialog mit dem Betrachter, der sich seiner Sündhaftigkeit bewusst werden sollte.
Der Moral und der Freude gleichermaßen sollte gewiss auch das prächtige Triptychon «Garten der Lüste» dienen, das mit 2,20 Meter mal vier Meter größte Werk Boschs: ein Geschenk für Heinrich III. von Nassau zur Hochzeit 1503. Auf grünen Weiden tummeln sich unzählige Nackte, die sich in allen erdenklichen Varianten körperlich vergnügen; Früchte und Beeren zeugen von ihrer erotischen Sinnenlust. Doch gerade dieses Werk zeigt auch die Grenzen der Bosch-Interpretation. Im Letzten blieben die Bilder des Meisters «deutungsoffen», resümiert der Stuttgarter Kunsthistoriker Nils Büttner.
Boschs Ruf als «Teufelsmacher» verfestigte sich schon bald nach seinem Tod. An den Höfen des Hochadels aber fand seine Kunst viele Bewunderer und Nachahmer. Im 16. und 17. Jahrhundert entstanden unzählige Kopien und Nach-Schöpfungen. Seine Nachfolger übernahmen das Gruselige – die Unergründlichkeit Boschs erreichten sie nicht.