Böller, Feuerwerkskörper, Alkohol: Für die Notaufnahmen deutscher Krankenhäuser ist der Jahreswechsel eine schwierige Phase. Besonders Kinder und Jugendliche verletzten sich durch Feuerwerk.
“Feuerwerk ist gefährlich und bietet erhebliches Verletzungspotenzial.” Kurz vor dem Jahreswechsel hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft noch einmal an die Bundesbürger appelliert, möglichst auf Feuerwerk zu verzichten – oder zumindest verantwortungsvoll damit umzugehen. Die durch sie ausgelösten Verletzungen führten die Krankenhäuser in der Silvesternacht regelmäßig an den Rand des Ausnahmezustands, sagte der Chef der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß.
Eine aktuelle Datenauswertung der Krankenhausgesellschaft zeigt, dass typische Verletzungen, zum Beispiel amputierte Finger oder Augenverletzungen, am Neujahrstag deutlich häufiger auftreten als an normalen Tagen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 9.433 Patientinnen und Patienten mit solchen Verletzungen in den Notaufnahmen behandelt. Das entspricht im Durchschnitt knapp 26 Fällen täglich. Am Neujahrstag schnellt die Fallzahl hingegen drastisch nach oben: Allein am 1. Januar 2023 wurden 117 neu aufgenommene Fälle gezählt.
Im Jahresdurchschnitt 2022 waren 78,5 Prozent der Betroffenen männlich, rund 70 Prozent waren zwischen 18 und 64 Jahren alt. Am Neujahrstag 2023 waren 90,6 Prozent der Betroffenen männlich und rund 75 Prozent zwischen 10 und 39 Jahren alt.
Bei diesen Daten handelt es sich nach Angaben der DKG ausschließlich um Zahlen aus der stationären Versorgung. Die weit überwiegende Zahl der feuerwerksbedingten Verletzungen wird der DKG zufolge allerdings ambulant in den Notaufnahmen oder von niedergelassenen Ärzten behandelt.
Eine am Sonntag veröffentlichte Statistik der Krankenkasse Barmer zeigt allerdings, dass die Gesamtzahl der Silvester-Unfälle zuletzt deutlich zurückgegangen ist. Immer weniger Menschen mussten wegen Verletzungen oder übermäßigem Alkoholkonsum in der Silvesternacht ins Krankenhaus. Demnach sind diese Fälle bundesweit von 8.950 zum Jahreswechsel 2017/2018 auf 6.050 zum Jahreswechsel 2022/2023 gesunken. Das entspricht einem Minus von rund 32 Prozent.
Untersucht wurden stationäre Behandlungen, die durch den Konsum von zu viel Alkohol oder durch Feuerwerkskörper notwendig wurden. Dabei kann es sich zum Beispiel um Alkoholvergiftungen, Verletzungen an Kopf, Auge oder Hand sowie um Verbrennungen handeln.
Der Barmer-Analyse zufolge sind die Fälle stationärer Behandlungen aufgrund von Unfällen von etwa 4.600 auf rund 3.100 gesunken. Die Fälle von übermäßigem Alkoholkonsum gingen von 1.740 auf 910 zurück und haben sich somit nahezu halbiert. Die Behandlungen der Verletzungen im Krankenhaus sind von 2.610 auf 2.040 gesunken. Das entspricht einem Rückgang von rund 22 Prozent.
Ein Bündnis aus Bundesärztekammer, Gewerkschaft der Polizei sowie 20 weiteren Verbänden, Umwelt- und Tierschutzorganisationen hatte in den vergangenen Tagen ein sofort gültiges Anwendungsverbot für Böller und Raketen gefordert. “Der Bund und die Innenminister der Länder sind gefordert, wenn sich zum Jahreswechsel erneut tausende Menschen durch Silvesterfeuerwerk schwer verletzen, wenn Ärztinnen und Ärzte, Rettungs- und Ordnungskräfte mit Knallkörpern bedroht oder tätlich angegriffen werden”, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, mit Blick auf die mehrheitlich ablehnende Haltung der Innenminister, den privaten Gebrauch von Pyrotechnik zu verbieten. Reinhardt forderte, dieses Thema nach dem Jahreswechsel erneut anzugehen.
Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) wies laut “Deutschem Ärzteblatt” darauf hin, dass besonders unter Alkoholeinfluss viele die Sicherheitsvorschriften beim Zünden von Böllern und Raketen missachteten. Oftmals entstünden Verletzungen auch durch nicht zertifizierte Billigfeuerwerkskörper.
“Die meisten großen Handverletzungen werden durch selbst gebastelte Böller verursacht”, sagte DGH-Präsident Martin Langer. Nach Angaben der Ärzteorganisationen handelt es sich bei rund 60 Prozent der Betroffenen um Unbeteiligte, die das Feuerwerk nicht selbst zündeten. “Besonders besorgniserregend ist außerdem mit 40 Prozent der hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen unter den Verletzten”, hieß es.