2017 erhielt das Ikonen-Museum Recklinghausen eine 66 Metall-Ikonen umfassende Sammlung aus dem Nachlass des Ehepaares Gustav und Rose-Marie Wörner aus Wuppertal. Darunter befinden sich acht Kreuze verschiedener Form, mehrere Triptychen und zwei Tetraptychen (drei- beziehungsweise vierteilige KlappIkonen). Viele der Ikonen sind aufwändig mit farbigem Email geschmückt oder vergoldet. Dargestellt sind alle wichtigen Themen, von Christus über die Muttergottes bis hin zu einzelnen Festtagen und in der orthodoxen Kirche verehrten Heiligen.
Strenge Maßstäbe und vorgefertigte Bildtypen
Das ungewöhnlichste und kostbarste Stück des Nachlasses, der in der Sonderausstellung „Holy Metal“ noch bis zum 20. Januar zu sehen ist, ist ein vergoldetes und aufklappbares Medaillon. Es wurde 1634 in Montenegro oder Bosnien hergestellt. Es weist Darstellungen der „Muttergottes des Zeichens“ und der Dreifaltigkeit auf. Die Muttergottes des Zeichens wird selten dargestellt und verkörpert die Prophezeihung aus Jesaja (Kapitel 7, Vers 14): Maria ist das Zeichen, das Gott der Menschheit schenkt, um Hoffnung und Erlösung in die Welt zu bringen. Sie empfängt und gebärt den Sohn, der von der Menschheit erwartet wird, damit er Heil unter alle Völker bringt.
Ikonen sind nach genau festgelegten Vorgaben gefertigte Bilder. Das griechische Wort „eikon“, von dem sich der Begriff Ikone herleitet, bedeutet „Bild“ oder „Abbild“. Diese vorwiegend in der orthodoxen Kirche verbreiteten Bilder waren nicht immer unumstritten, verstießen sie doch gegen das mosaische Gebot „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.“ (2. Mose, Kapitel 20, Vers 5)
Der Kirchenvater Basilios der Große (um 330-379) konnte den Streit schlichten, indem er sagte: „Die dem Bilde erwiesene Ehre geht auf das Urbild über.“ Gleichzeitig wurden strenge Maßstäbe und vorgefertigte Bildtypen für die Darstellungen auf Ikonen erlassen, die nur wenig Raum für die Phantasie des Künstlers bei der Ausgestaltung offen ließen.
Bedeutendstes Zentrum war das Kloster Vyg
Holz ist das Hauptmaterial, auf dem Ikonen gemalt wurden und immer noch werden. Bereits seit dem 11. Jahrhundert kennt man in Russland aber auch Ikonen, die als Metallreliefs hergestellt werden. Sie sind zumeist kleinformatig und wurden in Form von Anhängern als Amulett getragen. Metall-Ikonen zieren aber auch die „Schöne Ecke“ in russischen Häusern, vergleichbar dem Herrgottswinkel in katholischen Häusern, oder werden auf Reisen und in den Krieg mitgenommen. Im 19. Jahrhundert wurden sie über Haustüren und an hölzernen Grabkreuzen befestigt.
Seit dem 17. Jahrhundert erlangen gegossene Ikonen eine große Verbreitung. In der Hochzeit der gegossenen Ikonen im 17. bis 19. Jahrhundert werden sie dabei immer großformatiger. Das bedeutendste Zentrum der Metall-Ikonen war seit 1719 das Vyg-Kloster der Altgläubigen in Nordrussland. Das Gussmaterial ist zumeist Messing. Die Verzierungen sind oft aus Email, verbunden mit Edelsteinen. Es sind aber auch getriebene Arbeiten aus Gold, Silber und Kupfer bekannt.
Zar Peter der Große verbot 1722/23 den Handel mit den „unwürdigen“ und „unkünstlerischen“ Kreuzen und Metall-Ikonen, doch ohne Erfolg. Noch weniger eingehalten wurden das erneute Verbot und die angeordnete Konfiszierung im Jahr 1843. Als 1854 die großen Vyg-Werkstätten samt Kloster geschlossen und zerstört wurden, ging die Produktion über in kleine Familienbetriebe im Ural, in Guslicy bei Moskau und im Baltikum. Aber auch große Gießereien der Altgläubigen, etwa am Preobraženskij-Friedhof in Moskau, hielten die Tradition der Metall-Ikonenherstellung hoch.
Ikonen mit Farbemail besonders geschätzt
Die Bandbreite der Metall-Ikonen gibt es in unterschiedlichen Formen, einteilige, zweiteilige, dreiteilige und vierteilige. Sowohl die künstlerische Qualität als auch die des Gusses und der anschließenden Nachbearbeitung (Nachschleifen, Ziselieren, Emaillieren, Vergolden) der russischen Ikonen fallen sehr unterschiedlich aus. Besonders geschätzt werden Ikonen mit Farbemail.
Nach dem Anbau eines neuen Treppenhauses im Recklinghäuser Museum vor einigen Jahren ist das alte und umgebaute Treppenhaus im zweiten und dritten Stockwerk nun der Ort für kleine, feine und sehr intime Sonderausstellungen, wie die aktuelle Schau, geworden. Man sollte einiges an Zeit mitbringen, um die Sonderausstellung anzusehen: Die Vielfalt und der Reichtum an Kleinigkeiten ist so groß, dass man sie nicht nur mal schnell im Vorbeigehen erfassen kann.
• Öffnungszeiten: Dienstags bis sonntags und feiertags 11-18 Uhr, Telefon (0 23 61) 50 19 41, E-Mail: ikonenkunst-re.de, Internet: www.ikonen-museum.com.