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Bibelworte mundgerecht serviert

Auf der Wartburg geht es vor dem Reformationsjubiläum um Martin Luther und die deutsche Sprache. Deutlich wird: Sie war für ihn stets Werkzeug und Waffe zugleich

Vorsicht. Es geht nicht um „Luther und die Deutschen“. So lautet der ähnlich klingende Titel der Nationalen Sonderausstellung, zu sehen seit diesem Monat bis zum 8. Januar 2017 auf der Wartburg in Eisenach. Im Jahr vor dem großen Reformationsjubiläum geht es um „Luther und die deutsche Sprache“. Kuratorin Jutta Krauß benötigt für die Schau nicht die gesamte Burg, sondern nur einen Raum. Dabei bearbeitet sie ein weites Feld, ein immens weites sogar. Denn Luther hat mehr zu Papier gebracht als jene glückliche Übersetzung, für die der geächtete Reformator vom 4. Mai 1521 an auf der Wartburg einen sicheren Ort fand. 

Gelehrter, aber auch zorniger Streiter

Er hat so viel Schrift hinterlassen – 127 Bände mit zusammen rund 80 000 Seiten umfasst die in Weimar erstellte Gesamtausgabe –, dass ihn Jutta Krauß gar nicht ganzlassen konnte. „Zerhackt“ habe sie ihn, sagt sie, um die verschiedenen Facetten seiner Autorenschaft zu veranschaulichen. Der schreibende Luther wird dem Besucher als gelehrter Mönch, als übersetzender Theologe, als Lehrer, unermüdlicher Publizist, zorniger Streiter, Dichter und Privatmann vorgestellt. Die jeweiligen Zeugnisse dafür stammen aus der Lutherbibliothek der Wartburg. „Luther war ein gewaltiger Redner und ein gewaltiger Dolmetscher“, sagt Jutta Krauß. Der Schöpfer der deutschen Sprache, wie oft behauptet, sei er allerdings nicht gewesen.

Es hat ein paar Jahrhunderte gedauert, bis ausgehend vom Mittelhochdeutschen des Mittelalters über das Frühneuhochdeutsche die Sprachstufe des Neuhochdeutschen, also des heute gebräuchlichen Deutsch, erreicht war. Etwa in die Mitte dieses dreihundertjährigen Prozesses fällt Luthers Bibelübersetzung, das bekannteste Schriftwerk des Frühneuhochdeutschen. Ein „entscheidendes Etappenziel“, wie es Burghauptmann Günter Schuchardt treffend in der Begleitschrift zur Ausstellung formuliert. Und zugleich ein „reformatorisches Sprachereignis“, wie Kuratorin Jutta Krauß erklärt. Die Bibel wurde – in Luthers Deutsch übertragen – zu einem Volksbuch. Mit dem wiederum die wenigen der Schrift Mächtigen das Lesen lernten. Der Gleichklang von Bibel und Fibel ist kein Zufall.

Lautmalerische Neuschöpfungen

Luthers Deutsch war dabei keineswegs ein Sonderfall, das kann die moderne Germanistik mittlerweile belegen. Es fügt sich vielmehr ein in den Sprach- und Schreibstil des Wittenberger Gelehrtenkreises und der Druckersprache jener Zeit. Was Luther darüber hinaus aber auszeichnet, das sind sein Sprachtalent und seine lebenslange Sprachneugier. Um seine Lehren zu verbreiten, musste er sich für das Volk verständlich ausdrücken. Also schaut er ihm aufs Maul. Auf seinen Reisen hörte er genau hin, erzählt Jutta Krauß. Er sammelte gebräuchliche Redewendungen und fragte auch nach, ließ sich etwa von einem Tischler die Fachbegriffe seiner Arbeit erklären.

So wuchs Luthers Wortschatz, den er zudem um einprägsame lautmalerische Neuschöpfungen erweiterte. Letztere werden in der Ausstellung in einer sich wiederholenden Abfolge an die Wand geworfen: Lückenbüßer, Lästermaul, Fallstrick, Sündenbock, Bluthund, Gottesacker, Freigeist… Die Projektion ist ein Präsentationsmittel, um das abstrakte Thema Sprache anschaulich zu machen. Daneben gibt es eine Medienstation, die gebräuchliche Wendungen der jeweiligen Herkunftsregion zuordnet. Ob sie richtig liegt, können die Besucher eingehend testen. 

Den Glauben wecken, stärken, lebendig machen: Dafür eignet sich Sprache in vielfältiger Form. Als Text eines Kirchenliedes, von denen allein 37 auf Luther zurückgehen, darunter sein Bekenntnislied „Ein’ feste Burg ist unser Gott“. Aber auch als moralische Fabeldichtung. Luther übersetzte Fabeln des griechischen Dichters Äsop aus dem 6. Jahrhundert vor Christus ins Frühneuhochdeutsche. Stets mit einer Lehre am Ende. So heißt es in „Vom Wolf und Lämmlein“: „Wenn es nach dem Willen des Wolfes geht, so ist das Lamm im Unrecht“. Illustra-tionen zu den Fabeln sowie ein Animationsfilm aus den 1930er-Jahren zur Fabel „Vom Raben und Fuchs“ richten sich vor allem an das jüngste Publikum. 

Luther konnte aber auch noch ganz anders. Grob sein nämlich, zornig, cholerisch, was mit zunehmendem Alter mehr Raum einnimmt in seinen Schriften. Garstige Tiraden gegen seine Widersacher finden sich etwa auf den Flugschriften und -blättern der Reformationszeit. Beispielhaft dafür ist die Schmähschrift „Wider Hans Worst“ auf Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Die deutsche Sprache – sie war Luther stets Werkzeug und Waffe zugleich. 

• Öffnungszeiten der Ausstellung „Luther und die deutsche Sprache“ auf der Wartburg bei Eisenach: Montag bis Sonntag, 8.30-17 Uhr. Kontakt: Telefon (0 36 91) 25 00, -E-Mail: Adresse info@wartburg.de, Internet: http://www.wartburg.de. n Vertieft wird das Thema der Sonderausstellung in der Begleitschrift von Jutta Krauß (Herausgeberin): Luther und die deutsche Sprache. Verlag Schnell & Steiner, 136 Seiten, 12,95 Euro.

• Mit der Ausstellung wird auch die neue Schaubibliothek in der Vogtei eröffnet, in der Schätze reformatorischen Schrifttums verwahrt werden.